Forschungsprojekt

Das letzte Puzzleteil zum günstigen, erneuerbaren Treibstoff

Aus erneuerbarem Strom Methangas produzieren und ins Erdgasnetz einspeisen oder damit Erdgas-Fahrzeuge antreiben – das geht heute schon. Der Wirkungsgrad der Power-to-Methane-Technologie reicht aber noch nicht für eine wirtschaftliche industrielle Produktion als umweltfreundlicher Treibstoff und Energiespeicher. Das IET Institut für Energietechnik der HSR hat eine neue Forschungsanlage eröffnet, die den Wirkungsgrad so stark erhöhen soll, dass die Technologie Investoren für eine umweltfreundliche Energieträger-Produktion anzieht.

Mit neuer Technologie und Geschäftsmodellen ist das so eine Sache. Unternehmen greifen neue Technologien nur auf, wenn sich ihre Anwendung finanziell spürbar lohnt und vorhersagbar mehr einbringt als der Status quo. Deshalb reicht es nicht, dass bereits heute zuverlässig erneuerbare Energie in die chemischen Energieträger Methangas und Methanol umgewandelt werden kann. Es muss auch günstig sein, damit die Industrie in grosse Anlagen investiert. «Nur Grossanlagen erlauben einen wirtschaftlich sinnvollen Einsatz der Power-to-X-Technologie für einen substanziellen Beitrag zur Energiestrategie 2050», ist IET-Leiter Prof. Dr. Markus Friedl überzeugt.

Das Potenzial ist riesig, weil das Power-to-X-Verfahren eine ideale Lösung für das ungelöste Langzeit-Speicherproblem der unregelmässigen erneuerbaren Energieproduktion darstellen könnte. Überschüssige Energie kann via Power-to-X zusammen mit Wasser und Kohlenstoffdioxid in verschiedene Energieträger gewandelt werden. Das X kann dabei etwa für Wasserstoff, Erdgas, Methanol oder andere Kohlenwasserstoffe stehen. Kommen Energie und Kohlenstoffdioxid aus erneuerbaren Quellen, zum Beispiel aus der Luft entnommenes CO2 und Strom aus Solar- oder Windanlagen, ist auch der produzierte Treibstoff erneuerbar. Bei der späteren Nutzung dieses erneuerbaren Gases entsteht kein zusätzliches CO2, weil bei der Verbrennung genauso viel CO2 frei wird, wir bei der Produktion eingesetzt wurde – so wird ein geschlossener Kohlenstoffkreislauf möglich. Die Herstellung von erneuerbarem Methangas sowie die Einspeisung ins Schweizer Erdgasnetz wurden in der ersten Forschungsanlage der HSR untersucht.

Neue Forschungsanlage für höhere Effizienz

Ein Hindernis für eine grossindustrielle Verbreitung des Verfahrens ist derzeit noch der Wirkungsgrad, also das Verhältnis zwischen eingebrachter elektrischer Energie in den Prozess und der chemisch gespeicherten Energie im Endprodukt. Bevor Unternehmen im grossen Stil in Power-to-X-Anlagen investieren, muss die Produktion so effizient sein, dass sich das Produkt als Treibstoff oder als Energiespeicher-Dienstleistung mit Gewinn verkaufen lässt.

Genau hier will die neue Forschungsanlage der HSR ansetzen, die bis 2020 in Betrieb sein wird. Den grössten Effizienz-Hebel sehen die IET Ingenieure bei der Elektrolyse, also dem Prozess, bei dem der erneuerbare Strom dazu genutzt wird, Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff aufzuspalten. Deshalb wird in der neuen Power-to-Methane-Anlage in Rapperswil, aufbauend aus den Erfahrungen aus dem Vorprojekt, das Konzept neu aufgestellt: «Mit einer Hochtemperatur-Elektrolyse und einem integrierten Wärme-Management wollen wir den Wirkungsgrad der Anlage signifikant steigern», sagt Projektleiter Dr. Luiz de Sousa.

Stand der Technik plus HSR Know-how

Viele der IET Forschenden, die in die neue Power-to-Methane-Anlage der HSR involviert sind, haben ihre Bachelor- oder Masterausbildung im Bereich Erneuerbare Energien und Umwelttechnik an der HSR abgeschlossen und im Rahmen ihres Studiums bereits mit der ersten Forschungsanlage der HSR gearbeitet.
Von diesem langjährigen Wissensvorsprung profitiert derzeit auch die neue Forschungsanlage. So wurde beispielsweise der Methanisierungs-Reaktor einer Mini-Power-to-Gas-Anlage durch den damaligen Studenten und heutigen IET Ingenieur Christoph Steiner im Rahmen von Studien- und Bachelorarbeit von null auf entwickelt. Das von Steiner erarbeitete Wissen liess IET Forscher Jonas Walker in die Designstudie des Reaktors einfliessen, welcher in der neuen Power-to-Gas-Forschungsanlage eingesetzt wird.

Neben den Forschungszielen bis 2020 sollen auch im Umfeld der neuen Anlage wieder Möglichkeiten für Studierende geboten werden, verschiedene Fragestellungen im Bereich der Power-to-X-Verfahren mit Studienarbeiten zu untersuchen.

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Hochtemperatur-Elektrolyse, kurz erklärt:

Die Hochtemperatur-Elektrolyse wird auch Solid Oxide Electrolyser (SOE) genannt. Bei der Hochtemperatur-Elektrolyse wird Wasserdampf (H2O) mit einer Temperatur von 600 bis 800°C in Wasserstoff (H2 ) und Sauerstoff (O2 ) aufgespalten. Wasserstoff ist einer der Rohstoffe für die Produktion von synthetischem Methangas. Der Vorteil der Hochtemperatur-Elektrolyse ist ein höherer Wirkungsgrad als bei der herkömmlichen Elektrolyse, wodurch die Gesamteffizienz von zum Beispiel einer Power-to-Methane-Anlage steigt. Die Technologie befindet sich noch in der Entwicklung und wird derzeit von einigen wenigen Firmen und Forschungsinstitutionen in Europa vorangetrieben.

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10 Projektpartner und ein EU-Projekt

Die neue Anlage wird von einer breiten Trägerschaft unterstützt. Zwischen Ende 2018 und 2020 läuft der Forschungsbetrieb. Die Forschungsergebnisse werden publiziert und fliessen in das EU-Projekt Pentagon (www.pentagon-project.eu) ein, an dem Institutionen aus Bildung und Industrie aus fünf europäischen Ländern beteiligt sind. Konkret an der Forschungsanlage in Rapperswil beteiligt sind die Projektpartner Audi AG, Elektrizitätswerke Jona-Rapperswil EWJR, Energie Zürichsee Linth AG, Erdgas Obersee Linth Transport AG, Erdgas Regio AG, St. Galler Stadtwerke, Verband der Schweizerischen Gasindustrie VSG, Stadt Rapperswil-Jona, Energie 360°, GasDirekt AG, SCCER HaE Heat and Elictricity Storage, Bundesamt für Umwelt BAFU, Innosuisse und die Europäische Union im Rahmen des Programms Horizon 2020 und des Projekts Pentagon. Darüber hinaus profitiert das Projekt von den Entwicklungspartnern EPFL Lausanne, apex, ZHAW Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften, MEMS, Hitachi Zosen Inova AG, h-CPE, EMERSON sowie Swagelok.

An der Gastankstelle der neuen Power-to-Gas-Forschungsanlage können Erdgas-Autos betankt werden.
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Der kompakte Containerpark wird über das lokale Wassernetz und eine Solaranlage auf einem Nachbargebäude versorgt.
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Die Mini-Power-to-Gas-Anlage im Testbetrieb.
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