«Wir wollen alle Produkte kreislauffähig gestalten»

Medienmitteilung vom 5. Mai 2022

Der Davoser Skischuhhersteller Heierling und der Flawiler Hygieneartikelproduzent Flawa Consumer wollen gemeinsam einen nachhaltigen Skischuh herstellen. Dafür haben sie an der Ostschweizer Innovationstagung der OST – Ostschweizer Fachhochschule Inputs geholt, wie ein solches Produkt im Sinne einer Kreislaufwirtschaft produziert werden könnte.

Hans-Martin Heierling diskutiert an der Ostschweizer Innovationstagung mit Expertinnen und Experten aus allen möglichen Fachrichtungen den Skischuh der Zukunft.

«In der Kreislaufwirtschaft werden bestehende Materialien und Produkte so lange wie möglich geteilt, geleast, wiederverwertet, repariert, aufgearbeitet und recycelt. Das Ziel ist, dass kein Abfall entsteht», erklärt Andreas Bauer, Dozent am Institut für Innovation, Design und Engineering (IDEE) der OST – Ostschweizer Fachhochschule. Das «lineare Wirtschaftsdenken» – herstellen, verwenden, wegwerfen – habe ausgedient, denn: «Wie stecken in einer ökologischen Sackgasse. Wenn wir eine ökologische Nachhaltigkeit wollen, soziale Gerechtigkeit und ein Wirtschaftssystem, das langfristig handelt, dann müssen wir auf die Bremse treten.» Die Länder der Europäischen Union hätten dies bereits erkannt und mit dem «EU Green Deal 2030» die juristische Grundlage gelegt für die Kreislaufwirtschaft; in der Schweiz bestehe dazu erst eine Absichtserklärung. «Wer konkurrenzfähig bleiben will, muss handeln», so Bauer.

Weg vom Erdöl

Wie man von der Theorie zum Handeln kommt, zeigte ein Workshop an der diesjährigen 15. Ostschweizer Innovationstagung der OST – Ostschweizer Fachhochschule. Ein Team von über dreissig Expertinnen und -experten aus allen möglichen Fachrichtungen und von den unterschiedlichsten Ostschweizer Unternehmen diskutierte in vier Gruppen eine konkrete Fragestellung: Wie gelingt es, einen Skischuh kreislauffähig herzustellen. «Wie müssen neue Lösungen finden für den Skischuh von Morgen», erklärte Hans-Martin Heierling, der die gleichnamigen Skischuhmanufaktur aus Davos in vierter Generation führt. Die Herausforderung: Ein Skischuh besteht aus bis zu 150 Teilen; viele werden aus (erdölbasierten) Kunststoffen hergestellt. «Auch der Innenschuh mit seinen bis zu dreissig Teilen wir heute noch immer mehrheitlich aus Kunstoffen gemacht», so Heierling.

Kreislauffähige Schuhsohle

Hier kommt ein anderes Ostschweizer Unternehmen ins Spiel: der Hygieneartikelproduzent Flawa Consumer aus Flawil im Kanton St.Gallen. «Die Flawa arbeitet in drei Geschäftsfeldern: Watte-Produkte, Gesichtsmasken und Schuhsohlen», sagte Flawa-CEO Claude Rieser an der Innovationstagung. «Wie wollen künftig alle Produkte kreislauffähig machen.»

Wie nun ein nachhaltiger, kreislauffähiger Skischuh aussehen könnte, erläuterten die eingeladenen Expertinnen und Experten nach dreistündiger intensiver Diskussion. So könnten beispielsweise Teile der harten Schuhschale durch einen recyclefähigen Kunststoff ersetzt werden, verstärkt durch Fasermaterialien aus Jute oder Hanf. Vorschläge machten sie aber auch zum Geschäftsmodell: Eine Möglichkeit sei, Innen- und Aussenschuh als zwei voneinander unabhängige Teile zu verkaufen. So könnte der Aussenschuh in einer Übergrösse designt, der Innenschuh hingegen auf die exakte Fussgrösse zugeschnitten werden. Mit dem Fusswachstum müsste somit nur noch der Innenschuh gewechselt werden, was Ressourcen spare.

«Neue und bessere Produkte»

Beim recyclefähigen Kunststoff sei man bereits im Gespräch mit dem Bündner Polymerhersteller EMS-Chemie, und die Idee des modularen Innenschuhs wolle man weiterverfolgen. «Wir müssen wegkommen vom linearen Denken», so Skischuhhersteller Hans-Martin Heierling. «Ich entwickle leidenschaftlich gerne neue und bessere Produkte. Für die Zukunft möchte ich nicht nur alle Heierling-Skischuhe kreislauffähig bauen, sondern auch Wanderschuhe, Sport- und Arbeitsschuhe.» Auch Flawa-CEO Claude Rieser ist mit an Bord: «Schon heute ist das Thema Nachhaltigkeit ein wichtiger Bestandteil, von Flawa. In Zukunft möchten wir nur noch Produkte produzieren, die nach dem Cradle-to-Cradle-Prinzip im Sinne der Kreislaufwirtschaft produziert und sorglos entsorgt werden können.» Die Wattepads seien bereits kreislauffähig, der neue Typ der medizinischen Gesichtsmaske habe ein kompostierbares, transparentes Gesichtsfeld, nun sei man bei Flawa intensiv auf der Suche nach neuen Lösungen für die «vegane Leder-Schuhsohle».

((KASTEN))

Tragfähige Lösungen für die Zukunft

Die Herausforderungen der Zukunft lassen sich nur bewältigen, wenn es gelingt, überholte Denkmuster zu durchbrechen und einen Wandel herbeizuführen. Einen Anspruch den sowohl das soziale Unternehmertum als auch die soziale Innovation für sich erheben, erklärten Thomas Utz und Lukas Schmid zu Beginn der Ostschweizer Innovationstagung. Um das Thema «Social Innovation & Social Entrepreneurship» zu vertiefen, luden die Co-Leiter des Instituts für Innovation, Design und Engineering der OST – Ostschweizer Fachhochschule drei Gastreferenten zu Gespräch.

Ein gutes Beispiel für die soziale Innovation sei der US-amerikanische Outdoor-Ausrüster Patagonia, der vor elf Jahren entschied, nur noch Produkte herzustellen, die repariert und recycliert werden können, sagte Josephine Herzig von B-Lab Switzerland an der Ostschweizer Innovationstagung. B-Lab zertifiziere Unternehmen, «die nachweislich die höchsten Standards für Sozial- und Umweltverträglichkeit, rechtliche Unternehmensverantwortung und öffentliche Transparenz erfüllen.» Der St.Galler Unternehmer Lars Willi von Nexus Eco System zeigte auf, wie Social Entrepreneurship – also soziales Unternehmertum – Mehrwert nicht nur für die Unternehmensbesitzer schaffen kann. Mit seinem Unternehmen investiert er in Wasseraufbereitungsanlagen in Madagaskar und beteiligt dabei auch die lokale Bevölkerung am Gewinn. Für den sozialen Wandel zur Verbesserung der Umwelt, so das Motto der Tagung, brauche es aber auch eine disruptive Politik, zeigte sich Isabelle Gerber, Geschäftsführerin der politischen Bewegung Operation Libero überzeugt. «Für tragfähige Lösungen für die Zukunft müssen wir wegkommen vom schablonenhaften Politikdenken.»

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