Flugsimulator  mit VR-Brille

Elektrotechnik-Studierende arbeiten an Virtual Reality-Projekten

Wie Elektrotechnik-Studierende ihr Wissen in Virtual Reality-Flugsimulatoren anwenden, auf welches Erfolgsrezept die VRMotion AG setzt und wie es eine Journalistin geschafft hat, nach nur 8 Trainingsstunden im Simulator einen echten Flug durchzuführen.

Die VRMotion AG feiert seit ihrer Gründung 2016 einen Erfolg nach dem anderen. Kürzlich wurde ihr Virtual Reality-Flugsimulator als erste VR-Anwendung weltweit von einer Flugsicherheitsbehörde für das Pilotentraining zugelassen. Fast die Hälfte der bei VRMotion AG angestellten Ingenieurinnen und Ingenieure absolvierte einen Bachelor in Elektrotechnik an der OST – Ostschweizer Fachhochschule. Das ICAI Interdisciplinary Center for Artificial Intelligence der OST ist zudem offizieller Forschungspartner. Von der engen Beziehung profitiert nicht nur die Dübendorfer Firma, sondern auch die OST-Fachabteilung Elektrotechnik und ihre Studierenden, weil sie während des Studiums das Gelernte direkt in echten Projekten anwenden können.

Training im Wohnzimmer statt unter der Kuppel

Weil die Sicherheit bei den Luftfahrtbehörden über allem steht, dauert es bis zu einer Zulassung neuer Lösungen oft Jahre. Das gilt insbesondere, wenn man grosse Innovationen wie virtuelles Pilotentraining genehmigt haben möchte. Genau das ist das Geschäftsmodell der VRMotion AG: «Wir bauen die realistischsten professionellen Virtual Reality-Pilotentrainingslösungen, um sichereres, effizienteres und umweltfreundlicheres Flugtraining zu ermöglichen» – so das offizielle Firmenmotto.

Sowohl in der Luft- wie auch in der Raumfahrt werden aktuell tonnenschwere, riesige Simulator-Kuppeln eingesetzt – die VRMotion-Simulatoren hingegen passen in jedes Wohnzimmer und ermöglichen zudem eine realistischere Pilotenerfahrung als die bisherigen Modelle: Ein sechsachsig beweglicher Pilotensitz, Steuerungsinstrumente und eine VR-Brille – mehr Hardware braucht es nicht für die «realistischste je gebaute Helikoptersimulation». Auch beeindruckend: Nach nur acht Flugstunden im Simulator absolvierte eine SRF-Journalistin ohne jegliche Flugerfahrung ihren ersten echten Flug inklusive Start und Landung in einem Kleinflugzeug.

Luftfahrtbehörde akzeptiert Simulatortraining als Flugstunden

Möglich wird die hohe Trainingsqualität, weil die Simulationserfahrung das echte Fliegen exakt nachbildet. Durch die VR-Brille und das Zusammenspiel von echter Cockpit-Ausstattung und realistischer Bewegungssimulation erleben Pilotinnen und Piloten das Fliegen, wie es wirklich ist. Dafür nutzt die VRMotion AG modernste und teils auch durch künstliche Intelligenz gestützte Simulationsmethoden, die zusammen mit der Hardware der Simulatoren auf jede Handlung des Piloten reagieren und die Simulation so nahe an einen echten Flug bringen, wie es virtuell möglich ist. Bestätigt hat das kürzlich die europäische Flugsicherheitsbehörde EASA. Sie hat einen VR-Simulator für den Helikoptertyp Robinson R22 als für das Pilotentraining zugelassen qualifiziert. Das bedeutet, dass Pilotinnen und Piloten Trainingsstunden im Simulator als echte Flugstunden anrechnen lassen können. Das ist weltweit eine Premiere.

«Wir brauchen keine Probezeit, weil wir unsere Leute kennen.»

Laut VRMotion AG-CEO Fabi Riesen gelingt seinen rund 30 Kolleginnen und Kollegen das nur, weil alles inhouse erledigt wird. Von der Entwicklung der Software bis zur Konstruktion der Simulatoren wird alles von den eigenen Ingenieurinnen und Ingenieuren in Dübendorf erledigt. Fast die Hälfte der Mitarbeitenden hat ihr Studium in Elektrotechnik an der OST absolviert. Die damaligen Studierenden entwickelten für ihre Bachelor- und Masterarbeiten zusammen mit den heutigen Kollegen die Grundlagen für die Innovationen, an denen sie heute als Mitarbeitende arbeiten.

«Wir brauchen bei uns keine Probezeit, weil wir unsere Leute schon seit Jahren kennen», sagt Riesen. Doch die enge Zusammenarbeit mit der OST beschränkt sich nicht nur auf reale Aufgabenstellungen für Studienarbeiten. Das Interdisciplinary Center for Artificial Intelligence der OST ist zudem offizieller Forschungspartner der VRMotion AG. ICAI-Direktor, Prof. Dr. Guido M. Schuster, hat einen grossen Teil der heutigen Mitarbeitenden schon vor Jahren als Elektrotechnik-Studierende betreut und sagt: «Dass so viele hochqualifizierte Ingenieurinnen und Ingenieure in der gleichen Firma von der Idee bis zur Auslieferung an den eigenen Produkten arbeiten, ist eine absolute Seltenheit – meistens betreibt ein Unternehmen, wenn überhaupt, nur eine kleine Forschungs- und Entwicklungsabteilung und lagert den Rest inklusive Produktion aus.»

Der neue Weg der VRMotion AG

Die VRMotion AG geht hier bewusst einen anderen Weg. «Wir brauchen Leute, die sowohl der Theorie nah sind als auch etwas in der Praxis umsetzen können», sagt Riesen. Gerade hier machte sich die Zusammenarbeit mit Fachhochschulen bezahlt, zudem förderte auch die Agentur Innosuisse mehrere Projekte – eine weitere Grundlage für den Erfolg. «Wenn man etwas so Komplexes wie VR-Flugsimulatoren als relativ kleine Firma alleine machen will, braucht man polyvalente Profis, die sehr eng zusammenarbeiten und dadurch ein Tempo vorlegen, mit dem die viel grössere Konkurrenz nicht mithalten kann», sagt Riesen. Für seine Firma fasst er die Erfolgsformel so zusammen: «Wir stellen die gleichen Leute ein, die mit uns schon in Bachelor- und Masterarbeiten Prototypen entwickelt haben – niemand schafft es schneller, daraus marktfähige Produkte zu entwickeln.»

Von diesem Konzept profitieren alle Beteiligten: Die VRMotion AG kann als kleines, leistungsfähiges Hightech-Unternehmen auch viel grössere Konkurrenten überbieten und die OST kann ihr Know-how in der Forschung direkt einsetzen und gleichzeitig ihren Studierenden reale, innovative Praxisprojekte anbieten. Die Elektrotechnik-Studierenden lernen so praxisnah wie möglich und haben nach dem Studium häufig die Option, direkt mit spannenden Projekten und in leistungsfähigen Teams, deren Mitglieder sie bereits kennen, in ihre Ingenieurslaufbahn einzusteigen.

 

Leicht angepasster Artikel aus dem Magazin: OSTpunkt 01-2021, Autor: Willi Meissner