Bürokratie beeinträchtigt Arbeitseffizienz

Medienmitteilung vom 27. März 2024

«Administrations-Infarkt – Raus aus der Bürokratiefalle» – so lautete der Titel des ersten Symposiums für Unternehmen & Führung der OST – Ostschweizer Fachhochschule. Rund 60 Teilnehmende sind am Montagabend der Einladung des Instituts für Organisation und Leadership gefolgt und haben sich am Campus St.Gallen von Tipps und Tricks inspirieren lassen, wie die Bürokratie in Unternehmen minimiert werden kann.

Das erste Symposium für Unternehmen und Führung gab Tipps zum Thema Bürokratie-Falle.

An sich sollten Strukturen, Regeln und Weisungen den Arbeitsalltag vereinfachen, Prozesse sollten einfacher, Arbeitsroutinen beschleunigt, Schnittstellen nachvollziehbar und Fehler reduziert werden. Tatsächlich zeigen Praxis und Forschung, dass die Wirklichkeit anders aussieht. «Mit der Einladung zum ersten Symposium für Unternehmen & Führung haben wir Unternehmen befragt, wie sie zur Bürokratie stehen», sagte Lukas Scherer, Professor und Leiter des Instituts für Organisation und Leadership der OST – Ostschweizer Fachhochschule, am Montagabend einleitend. «82 Prozent der Befragten sind der Meinung, dass die Bürokratie ihre Arbeitseffizienz ‹erheblich beeinträchtigt›. 18 Prozent geben an, sie seien ‹mässig beeinträchtigt›. Und Null sind es, die sich kaum oder gar nicht an der Bürokratie stören», so OST-Professor Scherer. Auch Thomas Metzger, Leiter a.i. des Departements Wirtschaft an der OST, gab am Symposium zu bedenken, dass Bürokratie einen schlechten Ruf habe und für Trägheit stehe. «Auf der anderen Seite gibt die Bürokratie aber auch Struktur und Ordnung. Mit Bürokratie lassen sich Prozesse kontrollieren, sie gibt Rechtssicherheit und führt zu Gleichbehandlung», so Metzger.

Entlastend oder belastend?

Diese «Janusköpfigkeit» stellte Sibylle Olbert-Bock, Leiterin des Kompetenzzentrums Leadership und HR, ins Zentrum ihres Referates. «Bürokratie ist eine organisatorische Struktur und ein System von Regeln, Verfahren und Hierarchien, um komplexe Aufgaben zu verwalten oder zu regeln», erklärte die OST-Professorin. Wenn Bürokratie gelinge, könne sie entlastend für eine Organisation sein, wenn nicht, dann sei sie eine Belastung. Aktuelle Schätzungen aus verschiedenen Forschungsarbeiten zeigten, dass zwischen 30 und 60 Prozent der Arbeitszeit kontraproduktiv sei – etwa, weil steigende Anforderungen von externen Stellen die Prozesse beeinflussten oder weil die Technisierung zu «unsichtbaren Aufgaben» führe. Sibylle Olbert-Bock regte deshalb an, die Bürokratie sowohl auf der Ebene der Organisation als auch auf der Ebene des Individuums genau zu analysieren: «Es braucht ein Controlling des administrativen Aufwands, eine sinnvolle Automatisierung und eine mitarbeiterbezogene Organisationsstruktur».

«Black Ocean-Strategie»

Einen anderen Blickwinkel bezog Michael Czarniecki, Dozent am Institut für Organisation und Leadership, in seinem Vortrag mit dem Titel «Administrationsinfarkt in der positivistischen Ökonomie». Der studierte Volkswirt führte dabei den Begriff «Rent Seeking» ein, «ein Verhalten von Marktakteuren, das darauf abzielt, unter Einsatz von Ressourcen wirtschaftspolitische Privilegien zu erlangen, um so das eigene Einkommen zulasten des Einkommens anderer Marktteilnehmer zu steigern». Als Beispiel nannte er den Fleischmarkt in Chicago in den frühen 1900er-Jahren: «Grosse Unternehmen haben sich mit den Gewerkschaften für Regeln eingesetzt, die von den kleinen Metzgereien unmöglich hätten eingehalten werden können. So wurden die kleinen Unternehmen vom Markt verdrängt.» Czarniecki bezeichnete dieses Verhalten als «Black Ocean-Strategie»: «Die bestehenden Regeln werden verändert, neue Rahmenbedingungen werden geschaffen, ein unfairer Vorteil wird aufgebaut – alles mit dem Ziel, den Markteintritt für die Wettbewerber unmöglich zu machen.

STOPP-Formel gegen Bürokratie

Die Sicht der Praxis erläuterten Michael Steiner, CEO der acrevis Bank in St.Gallen, und Thomas Bosshard, Co-CEO der Oertli Instrumente AG in Berneck. Beide Experten verwiesen auf die hohe Regulationsdichte, die zu Bürokratie führe – einerseits die Vorgaben der Finanzmarktaufsicht Finma, anderseits die technischen Regularien im Medizinprodukterecht. Bei der St.Galler Bank acrevis setze man unter anderem auf künstliche Intelligenz, auf einen ChatBot der neusten Generation. Aber auch die Mitarbeitenden werden angeregt, bestehende Regeln zu hinterfragen, Neues auszuprobieren. «Wichtig ist in diesem Change Management, dass die Menschen eng begleitet werden», so Steiner. Bei der Oertli Instrumente AG habe man die klassischen Abteilungen aufgelöst und in ein Ökosystem überführt. So löse sich das Silodenken auf, die Mitarbeitenden bekämen mehr Klarsicht, den Blick für das grosse Bild. «Die Mitarbeitenden bringen viel Berufs- und Lebenserfahrungen mit. 300 Mitarbeitende mit 30 Jahren Lebenserfahrungen, das macht 9000 Jahre Erfahrung, die man nutzen kann!», erläuterte Bosshard weiter. Erfahrene Mitarbeitende kennen Regeln und Prozesse, um neue Lösungen für Probleme zu finden. «Um diese Kapazitäten nutzen zu können, muss man die Mitarbeitenden aber auch machen lassen; Bürokratie und Innovation dürfen sich nicht im Wege stehen», sagte der Unternehmer.

Um das erste Symposium für Unternehmen & Führung abzurunden, goss OST-Professor Lukas Scherer die Tipps und Tricks der Experten in eine Formel: «STOPP – Massnahme gegen Bürokratie». Das Akronym steht dabei für: Saubere Digitalisierung, Transparenz, Optimierung der Kommunikation, Prozessbeherrschung und Partizipation der Mitarbeitenden.

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