Immobilienmarkt als Pfeiler der Schweizer Wirtschaft

Medienmitteilung vom 21. August 2023

Liegenschaften sind ein wahrer Goldwert in den Bilanzen vieler Unternehmen. Die Inflation, der Ukraine-Krieg und geopolitische Unsicherheiten lassen aber die Werte der Immobilien erschüttern. Nicht nur Unternehmen, sondern auch Pensionskassen stellen sich grundlegende Fragen rund um Liegenschaften. Das 7. St.Galler Forum für Finanzmanagement und Controlling an der OST – Ostschweizer Fachhochschule suchte am vergangenen Freitag nach Antworten.

«Wir haben Geld gedruckt und die Bilanzen hochgejagt», sagt Donato Scognamiglio, Professor für Real Estate am Institut für Finanzmanagement der Uni Bern und CEO der Immobilienberatungsfirma IAZI.

In der Finanzbranche träumte man vom Superzyklus. Die Negativzinsen, die robuste Konjunktur und der Nachfrageschub nach der Corona-Pandemie befeuerten den Traum. Und wenn eine Krise anstand, wurde die Welt dank der Druckerpresse per Knopfdruck «gerettet». Dann kam die Zinswende, welche die ausgesprochen lange Aufschwungsphase am Schweizer Immobilienmarkt abrupt beendete. «Wir haben Geld gedruckt und die Bilanzen hochgejagt», sagte Donato Scognamiglio, Professor für Real Estate am Institut für Finanzmanagement der Uni Bern und CEO der Immobilienberatungsfirma IAZI, am 7. St.Galler Forum für Finanzmanagement und Controlling an der OST – Ostschweizer Fachhochschule. «Das war das Modell der ‹alten Welt›. Das ist jetzt vorbei. Wir sind in der ‹neuen Welt›. Und da hat alles ein Preisetikett.» Denn die Ressourcen seien limitiert – Güter, Frieden, Energie, Fachkräfte und selbst das Geld. «Wir haben Inflation. In der Eurozone 6,1 Prozent, in den USA 4,9, in der Schweiz 2,2 Prozent. Die Nationalbank hat die Zinsen angehoben. Alles, was kapitalisiert ist, verlor an Wert. Die Aktien sind um 16 Prozent eingebrochen, die Immo-Fonds um 15 Prozent, die Anleihen um 10 Prozent.» Doch die Immobilienbranche reagiere immer noch nach dem Muster der «alten Welt», gab Scognamiglio zu bedenken. Eigentlich müsste man die Anlagen abwerten, doch man greife lieber in die stillen Reserven, um den Schein zu wahren. Doch darüber spreche in der Branche niemand gerne. Eine Provokation, die in den Kaffeepausen ausgiebig diskutiert wurde.

Inflationsdruck bleibt erhöht

Mit der erwarteten Zurückhaltung analysierte Dewet Moser, stellvertretendes Mitglied des Direktoriums der Schweizerischen Nationalbank, die Situation. «Inflation ist das Produkt aus Wirtschaftsentwicklung und Störfaktoren, die sich leider nicht vorhersagen lassen.» Aktuell bleibe der Inflationsdruck weiterhin erhöht. Für das kommende Jahr rechne die Nationalbank – Stand heute – mit einer Inflation von 2,2 Prozent; die nächste Bewertung finde im September statt.

Auch Pascal Gantenbein, Professor für Finanzmanagement an der Uni Basel, betonte in seinem Referat zum Schweizer Immobilienmarkt, dass es Anpassungen in der Bewertung von Immobilienfonds und Immobiliengesellschaften brauche. Kurzfristig könne man dies durch eine Reduktion des Agios bei Immobilienfonds lösen – also durch eine Anpassung des Nominalwerts an den tatsächlichen Kurs. Langfristig brauche es eine Kompensation durch Mietanpassungen. Eine weitere Herausforderung sieht der gebürtige Stadtsanktgaller im Bereich Nachhaltigkeit: «Zertifizierte Liegenschaften werden am Markt nachgefragt» – da zahle sich die Investition aus, zumal erste Länder (wie die Niederlande) bereits angekündigt hätten, die Vermietung von Büroimmobilien mit schlechter Klimabilanz zu verbieten.

Die Sicht der Pensionskassen brachte Alvin Schwendener vom St.Galler Beratungsunternehmen c-alm ein. «Pensionskassen werden auch in Zukunft Immobilien suchen, weil die Bilanzsumme der beruflichen Vorsorge ununterbrochen wächst», so der Experte.

Öko-Beton, Solaranlagen und Hightech-Sensoren

Mit eher bauspezifischen Fragen beschäftigten sich die Referate von Karl Neumüller (Institut für Strategie und Marketing, OST), Evelyn Bamberger (Institut für Solartechnik, OST) und Jens Vollmar (Head Division Buildings, Implenia). «Das Netto-Null-Ziel ist eine grosse Herausforderung. Bei Neubauten kann man es einfacher erreichen, bei Altbauten braucht es umfassende Sanierungen», erklärte Vollmar am Forum für Finanzmanagement und Controlling. Implenia prüfe derzeit eine neue Beton-Rezeptur, die deutlich weniger Emissionen verursache. Bamberger plädierte für den konsequenten Einsatz von Solaranlagen zur Stromgewinnung und Neumüller für den Einsatz von Hightech-Sensoren für das Gebäudemanagement.

Ein Stichwort, das auch zum Referat von Markus W. Frick, CFO von SBB Immobilien, passt. Mit der Formel Arbeit = Leistung x Zeit illustrierte der studierte Betriebsökonom, wie bei den SBB das Performance Management aufgestellt ist. Die Faktoren Leistung und Zeit würden dabei stark von den Informationstechnologien beeinflusst: «Unser Ziel ist es, effizienter und besser informiert zu entscheiden.»

Planung ist entscheidend

Auf eher rechtliche Fragestellungen gingen Olivier Margraf, Leiter Rechtsdienste der Thurgauer Steuerverwaltung, und Christina Nossung von der St.Galler Anwaltskanzlei factum advocatur, ein. Rechtsanwältin Nossung betonte die Wichtigkeit des Vorprojektes, um Einsprachen gegen geplante Bauprojekte zu verhindern. Und Steuerrechtsexperte Margraf wies darauf hin, dass die Besteuerung der Grundstückgewinne von Kanton zu Kanton verschieden sei und es sich deshalb auszahle, schon vor Projektstart die künftige Steuerbelastung in die Finanzplanung einzubeziehen.

Immobilien als Bestandteil von Lehre und Forschung an der OST

«Für die OST sind Immobilien ein wesentlicher Bestandteil in der Lehre und Forschung: Wenn es um nachhaltige Finanzierungsfragen, wenn es um Solartechnologie oder wenn es um ein Investment einer Pensionskasse geht», sagte Marco Gehrig, Professor am Institut für Finance und Law an der OST. So generieren Immobilien regelmässige Liquiditätsflüsse der 2. Säule, sprich der beruflichen Vorsorge, welche wiederum die Renten vieler Pensionierten sichert. «In der Schweiz zählen die Pensionskassen zu den grossen Immobilienbesitzer. Wir profitieren davon und sind auch davon abhängig. Dies sollte in gesellschaftlichen Diskussionen mitbedacht sein.» Aber auch die Bewertung von Immobilien spiele eine zentrale Rolle: «Je höher die Werte sind, desto wahrscheinlicher ist der Bedarf einer Wertkorrektur in den Bilanzen. Zugleich steigt die Furcht vor einer Immobilienkrise, die am Ende gar in einer Bankenkrise enden könnte. Kurzum: Die Immobilienmarkt ist ein wichtiger Pfeiler der Schweizer Wirtschaft», so Gehrig.

Das 8. St.Galler Forum für Finanzmanagement und Controlling findet am 16. August 2024 auf dem Campus St.Gallen der OST – Ostschweizer Fachhochschule statt.

Für Rückfragen:

  • Prof. Dr. Marco Gehrig, Institut für Finance und Law, Kompetenzzentrum Accounting und Corporate Finance, 058 257 13 99, marco.gehrig@ost.ch
  • Michael Breu, Kommunikation OST, 058 257 44 66, michael.breu@ost.ch