Wärmewende bewegt beim Symposium Solarenergie und Wärmepumpen
Medienmitteilung vom 13. November 2024
Das Fokusthema «Wärmewende» lockte rund 100 Teilnehmende an das 10. Symposium Solarenergie und Wärmepumpen, welches wie jedes Jahr im Herbst das Institut für Solartechnik SPF an der OST Ostschweizer Fachhochschule organisierte. Neben den gewohnt hochwertigen Fachvorträgen gab es zum Jubiläum erstmals eine Podiumsdiskussion.
Heat is half: 50 % des Energiebedarfs ist Wärme
Andreas Häberle, Institutsleiter SPF, betonte in seiner Begrüssung, dass es bei der Energiewende nicht wie in der öffentlichen Diskussion häufig nur um Strom, sondern insbesondere auch um Wärme geht. Schliesslich seien 50 % des Energiebedarfs in der Schweiz Wärme. Dies griff auch Michel Haller, SPF, auf und ergänzte, dass im Januar sogar 66 % des Schweizer Energieverbrauchs für die Wärmeerzeugung verwendet wird. Er legte in seinem Vortrag dar, welchen Einfluss verschiedene Massnahmen im Wärmebereich auf den zukünftigen Winterstrombedarf haben. Simuliert wurde mit einer erweiterten Version des Tools «Powercheck» und auf Grundlage der Energieperspektiven 2050+. Als vorläufiges Ergebnis kommt Haller zu dem Schluss, dass die Wärmedämmung der Gebäude den grössten Einfluss habe, gefolgt von Warmwasser-Wärmerückgewinnung. Mit der Kombination verschiedener Massnahmen könne man das Winterstromdefizit um etwa ein Drittel reduzieren. Insgesamt seien Veränderungen im Wärmesektor sehr relevant für den Winterstrombedarf und haben somit einen direkten Einfluss auf die vieldiskutierte «Winterstromlücke».
Pierre Christe, Bundesamt für Energie (BFE), wies ebenfalls auf die Ziele der Energieperspektiven 2050+ sowie der Wärmestrategie 2050 des BFE hin. Dabei gibt es im Gebäudepark noch einiges zu tun: Zwei Drittel der Gebäude werden noch fossil oder direkt elektrisch beheizt, über eine Million Häuser sind nicht oder kaum wärmegedämmt. Er zeigte, welche Fördermöglichkeiten es für Wärmepumpen gibt, wobei er den Fokus auf Effizienz und Qualität legte. Wärmepumpen würden erst dann effizient arbeiten, wenn alle Komponenten aufeinander abgestimmt seien. Besonders würden eine Gebäudedämmung, eine Senkung der Vorlauftemperatur, eine Erhöhung der Quellentemperatur, die Verbesserung der Geräteeffizienz und die Verbesserung der Anlageneffizienz zur Effizienzsteigerung beitragen. Feldmessungen hätten gezeigt, dass Wärmepumpen im Median 36 % überdimensioniert seien. Die Einführung eines einheitlichen Qualitätsstandards habe die Qualität der Planung und Installation von Wärmepumpenanlagen deutlich erhöht, aber noch nicht in allen Bereichen, weshalb Stichproben- und Nachkontrollen sowie permanente Weiterbildungen wichtig blieben.
Herausforderung Mehrfamilienhäuser im Bestand
Schwierig ist der Umstieg auf Wärmepumpen bei bestehenden Mehrfamilienhäusern. Dies thematisierte Pierre Hollmuller von der Uni Genf. Spezifische Herausforderungen gibt es insbesondere in urbanen Zonen mit hoher Dichte, wo nur Luft als Quelle bleibt, dann aber wieder auf Lärmschutz geachtet werden muss. Ausserdem seien grössere Wärmepumpensysteme mit mehr als 50 kW nicht standardisiert, was häufig zu einer schlechten Integration in bestehende Heizungsanlagen und zu einer Überdimensionierung führe. Gerade bei bivalenten Systemen fehle eine robuste Kontrollstrategie, wodurch Wärmepumpen häufig unter ihren Möglichkeiten blieben. Anhand von zwei Fallstudien zeigte er, dass bei einem monovalenten Wärmepumpensystem die Jahresarbeitszahl von 1.5 auf 3.4 und bei einem bivalenten System der Wärmepumpenanteil von 50 % auf 67 % gesteigert werden konnte. Wichtig sei die Ermittlung des Wärmebedarfs eines Gebäudes, um Überdimensionierung zu vermeiden, eine möglichst niedrige Rücklauftemperatur, eine Steuerung der Umwälzpumpen sowie die Überwachung und Fehlerbehebung.
Ulrich Frei, Soltop, und Daniel Philippen, SPF, stellten ein konkretes Umsetzungsbeispiel für ein Stadthaus mit 8 Parteien vor, welches zuvor mit Gas beheizt wurde. Erdsonden waren nicht erlaubt, es gab wenig Platz und der Lärmschutz musste berücksichtigt werden. Als Lösung wurde eine Integration der kompletten Wärmepumpenanlage inklusive Ventilatoren und Speicher ins Dach gewählt. Die Luft-Wasser-Wärmepumpe wurde auf zusätzlichen Schwingungsdämpfern gelagert, zum Schutz der darunter liegenden Wohnräume. Zusätzlich wurde eine Photovoltaikanlage ins Dach integriert, die gleichzeitig als Luftkollektor genutzt wird: Frischluft tritt durch Eintrittsgitter ein und soll unter dem Dach vorgewärmt werden. Dieser Vorwärmeffekt war insbesondere im Winter aber kleiner als erwartet, gleichzeitig der Kühleffekt für die Photovoltaikanlage nur gering. Das Fazit der beiden Referenten: Die bauseitige Erstellung von photovoltaisch-thermischen Kollektoren hat sich ökonomisch nicht gelohnt, eine einfache Photovoltaikanlage würde bevorzugt. Dagegen konnte die Dachintegration von Luft-Wasser-Wärmepumpen sowohl lärmtechnisch als auch für alle Wetterlagen erfolgreich demonstriert werden, was besonders im städtischen Kontext interessant sein kann. Ausserdem konnte durch einen effizienten Flachregister-Boiler der Betrieb optimiert werden. Insgesamt konnte so ein Netto-Nullenergiegebäude erreicht werden. Zusätzliches Potenzial gäbe es bei einer Reduktion der Vorlauftemperatur beispielsweise durch eine Fussbodenheizung statt der verbauten Radiatoren.
Erdsondenwärmepumpen und Wärmenetze als ideale Kombination
Anhand einer energetischen Potenzialstudie, die am SPF für die Gemeinde Stäfa durchgeführt wurde, zeigte Florian Ruesch, SPF, auf, wie sich individuelle Erdsondenwärmepumpen und Wärmenetze raumplanerisch ideal ergänzen können. Es wurde zunächst die Ist-Situation analysiert, die zeigte, dass aktuell 75 % der Gebäude fossil beheizt werden. Nutzungspotenziale für erneuerbare Energien bestehen in Stäfa vor allem bei Seewasser durch die Lage am Zürisee, bei Erdwärmesonden und Solarenergie. Da sich Erdwärmesonden, wenn sie dicht verbaut werden, gegenseitig beeinflussen, eignen sie sich besonders in dünn besiedelten Gebieten mit wenig Energiebedarf pro Fläche. Je höher der Wärmeentzug pro Fläche durch Erdsonden, desto höher die Anforderungen an Regeneration oder längere Sonden. Für Wärmenetze gilt der umgekehrte Zusammenhang: Je höher der Energiebedarf pro Fläche desto eher lohnt sich ein Wärmenetz, so dass alle Gebiete in Stäfa durch eine der beiden Optionen versorgt werden könnten. Weiter wurde in verschiedenen Szenarien die zukünftige Wärmebedarfsentwicklung betrachtet unter Berücksichtigung von Zubau und Verdichtung sowie energetischer Sanierung. Da im Kanton Zürich zukünftig nur noch in Ausnahmefällen fossile Heizsysteme verbaut werden dürfen, sinken in allen Szenarien die CO2-Emissionen deutlich, es gibt allerdings auch erhebliche Unterschiede. Basierend auf dieser Studie plant die Gemeinde Stäfa mit einem lokalen Versorger ein Seewasserwärmenetz zu errichten.
Wirtschaftlich Sanieren
Zum Abschluss der Vorträge wurde der technische Blickwinkel verlassen, Constantin Kempf von der Hochschule Luzern referierte zu «Wirtschaftlich Sanieren». In einer empirischen Studie testete er zwei zuvor aufgestellte Hypothesen. Zum einen nahm er an, dass die Erstellungskosten für nachhaltige Wohnimmobilien in der Schweiz höher sind als für konventionelle Bauten. Diese These konnte bestätigt werden. Zum anderen stellte er die These auf, dass nachhaltige Massnahmen zu höheren Erstvermietungserträgen bei Schweizer Wohnimmobilien führen. Diese These konnte nicht bestätigt werden. Dies könne aber durch glaubwürdige Signale wie eine Zertifizierung geändert werden. Ansonsten könne eine schnelle Marktetablierung nachhaltiger Baumassnahmen behindert werden, so Kempf. Berücksichtigt wurde dabei nur die Anfangsphase, nicht aber der weitere Lebenszyklus einer Immobilie inklusive Betriebs- oder Rückbaukosten, was zu einer Verschiebung der Bewertung führen könne. Ausserdem präsentierte Kempf ein neues Bewertungs- und Strategietool zur Beurteilung der Wirtschaftlichkeit von Sanierungsprojekten. Dieses ist noch in Arbeit und soll im Sommer 2025 veröffentlicht werden und frei zugänglich sein.
Podiumsdiskussion Wärmewende
Abgerundet wurde das Symposium durch eine hochkarätig besetzte Podiumsdiskussion zum Thema «Wärmewende». Bei der von Michel Haller moderierten Runde waren Nationalrätin Franziska Ryser, Grüne, Philipp Egger, Energieberater und ehemaliger Leiter der Energieagentur St.Gallen, Sarah Brutschin, Mieterinnen- und Mieterverband Schweiz, sowie die beiden Referenten Pierre Christe, BFE, und Pierre Hollmuller, Uni Genf, dabei. Die Frage, ob die Wärmewende auf Kurs sei, wurde weitgehend bejaht, man dürfe aber nicht nachlassen in den Bemühungen. Bisher würden häufig «low hanging fruits» umgesetzt, die nächsten Schritte seien tendenziell schwieriger. Am kritischsten äusserte sich Franziska Ryser, die darauf hinwies, dass auch andere Bereiche wie etwa der Verkehr dekarbonisiert werden müssen, was deutlich schwieriger sei und daher einfachere Bereiche wie der Wärmesektor stärker zur Energiewende beitragen sollten. Weiter diskutiert wurden die anstehenden Budgetkürzungen für Klimaschutzmassnahmen unter anderem auch beim BFE und bei Forschungsprogrammen. Auch die Kosten von energetischen Massnahmen kamen zur Sprache. Dies bewegte vor allem Sarah Brutschin: In der Schweiz gäbe es Kostenmieten, so dass die Mietenden schlussendlich energetische Massnahmen tragen müssten.
6. November 2025: 11. Symposium Solarenergie und Wärmepumpen
Mit dem ersten runden Geburtstag ist noch lange nicht Schluss: Auch im nächsten Jahr ist wieder ein Symposium Solarenergie und Wärmepumpen geplant, wofür zum Abschluss bereits das neue Datum verkündet wurde. Es wird am 6. November 2025 wie gewohnt an der OST in Rapperswil stattfinden.
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