Die Deponie als Schlüsselfaktor der Kreislaufwirtschaft
Wir stellen unseren Müll vor die Tür und glauben, das Problem sei damit erledigt. Doch trotz konsequenter Verbrennung aller Haushaltsabfälle macht die wachsende Deponieknappheit in der Schweiz ein Umdenken nötig. Neue Ansätze in der Abfallbehandlung und Deponiebewirtschaftung müssen dringend geprüft werden, um die langfristige Entsorgungssicherheit zu gewährleisten und Kreisläufe nachhaltig zu schliessen.
Umweltbewusste Schweizerinnen und Schweizer trennen gewissenhaft ihren Haushalts-Abfall: Papier ins Altpapier, PET in den Sammelcontainer, Glas nach Farben sortiert, Elektrogeräte zurück in den Laden, etc. – das restliche brennbare Material landet im Kehrichtsack. Dieser wird wöchentlich vor die Tür gestellt, abgeholt und in Kehrichtverwertungsanlagen (KVA) verbrannt. Damit scheint das Problem gelöst: Aus den Augen, aus dem Sinn? Leider nicht ganz. Denn wie bei einem Lagerfeuer bleiben auch nach der Abfallverbrennung mineralische Rückstände in Form von Aschen und Schlacken zurück – und das nicht zu knapp. Für jede Tonne verbrannter Abfälle fallen rund 200 Kilogramm KVA-Schlacken an.
Schweizweit fallen jährlich 800’000 bis 900’000 Tonnen KVA-Schlacke an. Diese müssen irgendwohin. In der Schweiz werden speziell dafür eingerichtete Deponien betrieben. Deponien dienen jedoch nicht nur als Endlager für Verbrennungsrückstände aus Haushaltsabfällen. Auch andere nicht weiterverwendbare oder problematische Abfallstoffe werden auf Deponien gelagert, darunter Materialien, die bei Bau- und Renovationsarbeiten anfallen, wie abgespitzte Kacheln, ausgediente Betonmauern oder Ziegel.
Die Deponie: Letzte Senke im Kreislaufsystem
In einem idealen Kreislaufsystem sollen Rohstoffe möglichst lange im Umlauf bleiben. Recycling, Wiederverwertung und energetische Verwertung sind wichtige Bausteine dieses Systems. Doch nicht alle Materialien lassen sich beliebig oft aufbereiten oder weiterverwenden. Deponien übernehmen in diesem Zusammenhang eine zentrale Funktion in jeder realistischen Kreislaufwirtschaft: Sie sind die letzte Senke im Stoffkreislauf, in der nicht rezyklierbare und oft schadstoffbelastete Materialien möglichst sicher und dauerhaft gelagert werden.
Damit diese Strategie jedoch langfristig funktioniert, braucht es vor allem eines: ausreichend Deponieraum. Und genau hier wird es in der Schweiz zunehmend kritisch. Aufgrund der dichten Besiedelung, raumplanerischer Einschränkungen und wachsender gesellschaftlicher Sensibilitäten ist es schwierig, neue Deponiestandorte zu schaffen oder bestehende auszubauen. Bewilligungsverfahren sind langwierig und oft politisch umstritten. Die Haltung «Not in my backyard» ist mittlerweile salonfähig geworden und verhindert oft die eigentlich sinnvollsten und sichersten Projekte. Dadurch wird Deponieraum zu einem wertvollen Gut, mit dem sparsam und sorgsam umgegangen werden muss.
Projekt SENKATO: Rückgewinnung von Deponieraum
Das Institut für Umwelt- und Verfahrenstechnik (UMTEC) der Ostschweizer Fachhochschule (OST) beschäftigt sich seit vielen Jahren mit Fragen zur Abfallbehandlung, Schadstoffimmobilisierung und zum Deponiewesen. Im Rahmen des Projekts SENKATO wurde in einer Machbarkeitsstudie untersucht, wie durch verbesserte Aufbereitungs- und Rückgewinnungstechnologien Wertstoffe aus bereits deponiertem Abfall recycelt und somit durch dieses «Deponierecycling» wertvoller Deponieraum zurückgewonnen werden kann.
Im Fokus der Untersuchungen lagen die sogenannten Reaktorkompartimente älterer Deponien, in denen bis zum Jahr 2000 – dem Zeitpunkt, ab dem die Ablagerung brennbarer Abfälle gesetzlich verboten wurde – häufig unbehandelte Siedlungsabfälle, also Hausmüll, deponiert wurden (siehe Abbildung).

Diese alten Kompartimente enthalten hohe Anteile an organischem, brennbarem Material. In modernen KVA liesse sich dieser brennbare Anteil effizient energetisch nutzen und gleichzeitig der beanspruchte Deponieraum massiv reduzieren. Schätzungen zufolge kann das Volumen des abgelagerten Abfalls durch die Verbrennung auf ein Zehntel reduziert werden.
Um das durch Deponierecycling gewinnbare Deponievolumen praxisnah einschätzen zu können, wurde im Rahmen von SENKATO eine umfassende Umfrage bei 24 Schweizer Deponien durchgeführt, die potenziell noch alten Hausmüll einlagern. Die Ergebnisse zeigen ein differenziertes Bild: Zwar herrscht teils grosse Skepsis gegenüber der Idee des Deponierecyclings, dennoch befinden sich einige Deponien bereits in der Planung oder Umsetzung entsprechender Massnahmen.
Drei Deponien gaben an, Deponierecycling in nennenswertem Umfang betreiben zu wollen oder bereits erfolgreich durchzuführen. Das durch diese drei Standorte potenziell freisetzbare Volumen beträgt rund 350 000 m³. Zum Vergleich: In der Schweiz fallen jährlich rund 400 000 m³ KVA-Schlacke an. Das durch Deponierecycling gewonnene Volumen könnte somit für rund ein Jahr die Lagerkapazität für sämtliche Schweizer KVA-Schlacke sicherstellen – ein wertvoller, aber auch begrenzter Beitrag.
Die Umfrage offenbarte auch die grössten Hürden für ein Deponierecycling: Schwierigkeiten beim Zugang zu alten Kompartimenten, die potenzielle Schadstoffbelastung der Materialien, fehlender Platz für die temporäre Lagerung oder Aufbereitung, der wirtschaftliche Aufwand und der teilweise unsichere rechtliche Rahmen.
Es zeigt sich: Deponierecycling allein kann die Herausforderung der Deponieraumknappheit nicht lösen. Das Konzept des Deponierecyclings ist deshalb eher ein «Tropfen auf den heissen Stein» als die Lösung des sich abzeichnenden Deponieraumproblems. Es braucht also weitere Massnahmen – technologisch, politisch und gesellschaftlich –, um die langfristige Entsorgungssicherheit mit Deponieraum zu gewährleisten und das Deponiewesen zukunftsfähig zu gestalten.
Der Weg in die Zukunft ist die Kombination verschiedener Ansätze
Die langfristige Sicherstellung der Schweizer Deponiekapazitäten erfordert eine Kombination verschiedener strategischer Ansätze. Einerseits ist eine stetige Weiterentwicklung der gängigen Aufbereitungsmethoden entscheidend, um mehr verwertbare Materialien aus Abfallströmen zu gewinnen und somit die Ablagerung von Material zu reduzieren. Ein verbessertes Recycling, innovative Technologien und gezielte Anreize erhöhen den Anteil wiederverwertbarer Rohstoffe und verringern den Bedarf an Deponieraum. Zusätzlich muss die nachhaltige Bewirtschaftung bestehender Deponien gewährleistet werden. Im Vordergrund stehen dabei eine strategische Planung der Einlagerung und eine möglichst langfristige Nutzung der vorhandenen Volumina. Schliesslich ist auch die gezielte Schaffung neuer Deponieflächen notwendig, wo dies aufgrund politischer und räumlicher Gegebenheiten möglich ist. Diese Massnahmen, kombiniert mit einem abgestimmten Vorgehen auf technischer, politischer und gesellschaftlicher Ebene, bilden die Grundlage für eine zukunftsfähige Abfallwirtschaft und eine langfristige Entsorgungssicherheit mit Schweizer Deponieraum. Das UMTEC forscht zu diesen verschiedenen Ansätzen und leistet einen wichtigen Beitrag zur Gestaltung der Abfallwirtschaft von morgen.
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