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Erfolg kommt nicht von folgen

27.08.2025

Bei Award-Referent André Lüthi zählt das Bauchgefühl – auch wenn mal Regeln gebrochen werden müssen. In seinem Referat am WTT YOUNG LEADER AWARD will der Unternehmer zeigen, warum Mut und Vertrauen zum Erfolg führen. Im Interview verrät Lüthi, was Reisen damit zu tun hat.

André Lüthi, Ende Oktober halten Sie das Referat am WTT YOUNG LEADER AWARD. Was werden Sie den jungen und den gestandenen Leadern in der Tonhalle mitgeben? 
Die Welt ist in grossen Veränderungen. Im Wind des Wandels bauen die einen Schutzmauern, die anderen Windmühlen. Vertrauen, Mut und Verantwortung übernehmen sind ganz wichtig – auf den Bauch zu hören, auch wenn Berater oder Verwaltungsräte etwas anderes sagen. Es braucht den Mut, Umwege zu gehen, auch wenn damit keine Boni und Incentives zu holen sind. 

Das Leitthema lautet «Breaking the Rules». Wann haben Sie das letzte Mal Regeln gebrochen? 
Kürzlich hat an einem Kongress mein Vorredner Businesspläne thematisiert. Ich erlaubte mir danach mit einem Schmunzeln aufzuzeigen, dass ich nicht so viel halte von den «Excel-Taliban» im Geschäftsleben.

Ein anderes Beispiel: Vor einiger Zeit ging es um eine weitere Firmenakquisition. Die Zahlen und die Marktlage sprachen für eine Übernahme, doch mein Bauch sagte mir irgendwie nein - also haben wir die Verhandlungen abgebrochen.

Was sagte Ihr Bauch genau?
Das kann man eben nicht definieren. Bauch ist Bauch. Womöglich hat es mit den Menschen vis-à-vis zu tun. Ich machte schon den Fehler, eben nicht auf den Bauch zu hören – und bereute es später. 

Animieren Sie Ihre Mitarbeitenden, auch Regeln zu brechen? Wann ist es bei Ihnen angebracht?
Für Mitarbeitende mache ich ein Beispiel: Wenn eine Kundin kommt, drei Wochen verreisen will und eine Liste mit acht Ländern mitbringt, könnten wir ein gutes Geschäft machen. Doch bei uns arbeiten 360 Leute, die ihre Leidenschaft zum Beruf machten. Sie leben eine Kultur des «Reiseglücks». Wir hinterfragen: Willst Du das wirklich, acht Länder bereisen? Nicht der schnelle Umsatz hat höchste Priorität, sondern das persönliche Glück des Reisenden. Das ist bestes Marketing: Diese Kundin erzählt weiter, dass wir ihr vom Bereisen zu vieler Länder in kurzer Zeit abgeraten haben.

Wie kommt man zu so leidenschaftlichen Mitarbeitenden? Wie rekrutieren Sie?
Früher galt die Voraussetzung: Bewerberinnen und Bewerber müssen drei Kontinente bereist haben. Das können wir heute nicht mehr durchziehen. Wir sind auch zufrieden, wenn sich Bewerberinnen oder Bewerber auf zwei Kontinenten gut auskennen. Zudem darf man auch bei der Rekrutierung Regeln brechen: Hat jemand noch keine Reisebüroerfahrung, heisst das nicht, dass er per se abgelehnt ist. Spannende Persönlichkeiten sind willkommen. Bei uns haben nur 14 Prozent die klassische Reisebürolehre gemacht. Es gibt viele Mitarbeitende, die lieber eine Lohneinbusse in unserer Branche akzeptieren, dafür ihre Leidenschaft zum Beruf machen. Bei uns gibt es neben fünf Wochen bezahlten Ferien auch jährlich bis zu sieben unbezahlte.

Sie sagen, Ihre Hauptaufgabe sei, Mitarbeitenden Sinnhaftigkeit und Freude am Beruf zu vermitteln. Wie gelingt das konkret?
Meine Aufgabe ist es heute, die richtigen Menschen zu finden, die unsere Unternehmen führen. Es gibt zwölf CEOs in der Globetrotter Group. Sie müssen das richtige Mindset mitbringen – dazu gehört unser Urgedanke, dass Reisen die beste Lebensschule ist. Meinen Nachfolger bei Globetrotter Travel Services, Dany Gehrig, lernte ich als Freund während einer gemeinsamen Expedition in Tibet kennen. Wichtig ist, dass ich den Führungskräften viel Vertrauen schenke. Für sie bedeutet es, dass sie Verantwortung übernehmen. Oft denken und handeln sie anders als ich – aber sie führen ihre Firmen erfolgreich. Was will ich mehr?

Was hat Reisen mit Führung zu tun?
Reisen ist Persönlichkeitsentwicklung. In der Führung fehlt es sehr oft an Vertrauen und der Fähigkeit, Verantwortung zu übertragen. Auf Reisen muss man in verschiedensten Situationen immer wieder anderen Menschen vertrauen – sei es den Busfahrern in Indien oder den lokalen Guides in Kolumbien. Reisen heisst aber auch Respekt und Toleranz entwickeln für andere Kulturen und Weltanschauungen. Auf Reisen lernte ich meine eigenen Grenzen und Schwächen kennen. 

Welche?
Ungeduld – damit kommen Sie in Indien nicht weit. Man lernt auf Reisen intuitiv zu handeln, zu improvisieren und authentisch zu bleiben. Man entwickelt ein Gespür für Leute, die noch wenig Kontakt mit unserer Kultur hatten. Man muss sich anpassen oder unterordnen.

Welche Ihrer unternehmerischen Entscheide waren für Globetrotter wichtig für den langfristigen Erfolg?
Vor 17 Jahren wollte Kuoni uns kaufen. Damals waren Globetrotter-Gründer Walter Kamm und ich beteiligt. Wir empfanden einen Verkauf schlussendlich als Verrat gegenüber den Mitarbeitenden sowie Kundinnen und Kunden. Der Nicht-Verkauf war richtig und daraus entstand die heutige Globetrotter Group. Wir entschieden uns für eine Strategie, Nischen-Unternehmen mit offenen Nachfolgefragen «anzulachen». Ich halte es zudem für richtig, dass wir bis heute nicht in der Romandie vertreten sind. Eine Kultur lässt sich nicht einfach dorthin transferieren und von Bern aus steuern. Wir gingen bis in die zweisprachigen Städte Freiburg und Biel, aber nicht darüber hinaus. 

Woher wissen Sie, dass das ein guter Entscheid war?
Das sagt mein Bauch. Der sagt mir auch, dass es richtig war, dass wir bei allen übernommenen Unternehmen der Gruppe ihren Brand und ihre Kultur nicht verändert haben. Hochdekorierte Professoren und erfolgreiche Unternehmer rieten mir dazu, nicht weiterhin zwölf Marken zu pflegen. Wir sollten «Globetrotter Sprache», «Globetrotter Tauchen», «Globetrotter Bike», «Globetrotter Politik» als Marken führen. Wir taten es nicht.

Welche Reise prägte Sie am stärksten?
Meine erste – als Autostopper in Bern Wankdorf mit einem Schild in der Hand «San Francisco»! Die meisten hielten mich für verrückt. Mit kaum Geld in der Tasche auszubrechen, doch es war eine unbezahlbare Erfahrung. Auf dieser Reise konnte ich auch das Schicksal und die Kultur der Navajo- Indianer näher kennenlernen - was mich nicht mehr losliess. Und so konnte ich mit viel Glück diese Faszination für andere Kulturen zu meinem Beruf machen. 

Infos und Anmeldung: www.ost.ch/yla