Forschungsprojekt
Burnout-Prävention in der Landwirtschaft 2.0 - Präventionsmassnahmen verankern und umsetzen
Das Projekt "Burnout-Prävention in der Landwirtschaft 2.0" baut auf dem erfolgreichen Vorgängerprojekt "Burnout-Prävention in der Viehwirtschaft – Ein Living Lab Ansatz" (2021-2023) der OST auf und entwickelt eine Grundlage für ein gesamtschweizerisches Beratungsnetzwerk zur Burnout-Prävention in der Landwirtschaft. Im Projekt arbeiten Wissenschaftler:innen aus den Fachbereichen Soziale Arbeit und Wirtschaft interdisziplinär zusammen und entwickeln partizipativ praxisnahe Lösungen für die Schweizer Landwirtschaft.
Ausgangslage
Landwirtinnen und Landwirte sind zunehmenden Belastungen ausgesetzt: höhere Investitionen und damit verbundene Risiken, staatliche Regulierungen, lange Arbeitszeiten, Freizeitmangel, Zeitdruck und Generationenkonflikte führen zu erheblichen Stressoren. Die Häufung von Arbeitsbelastungen und persönlichen Problemen kann zu Krisen bis hin zum Suizid führen. Dabei werden Hilfsangebote oft nicht oder zu spät wahrgenommen.
Obwohl es bereits regionale Beratungsleistungen gibt, fehlt es an einer Integration der Angebote in ein stabiles Netzwerk professionalisierter Hilfeleistungen. Die einzelnen, fragmentierten Angebote entsprechen zum Teil fachlich, finanziell oder inhaltlich nicht den notwendigen Anforderungen im Hinblick auf die umfassenden Anforderungen einer Gesundheitsprävention. Eine wirksame und nachhaltige Burnout-Prävention in der Schweizer Landwirtschaft erfordert daher eine soziale Innovation: ein engmaschiges, leicht zugängliches, überregionales Netzwerk, das Betroffene multidimensional unterstützt und begleitet.
Die Charta als Grundlage der Zusammenarbeit
Im Rahmen des ersten Projekts wurde deutlich, dass die Entwicklung neuer Präventionsmassnahmen nur dann nachhaltig wirksam sein kann, wenn sie von einem breiten Netzwerk getragen und gemeinsam weiterentwickelt wird. Die Untersuchungen und Netzwerktreffen zeigten einen hohen Bedarf nach koordinierten Lösungen, aber auch den klaren Wunsch der beteiligten Akteure nach verbindlichen Leitlinien für die Zusammenarbeit.
Aus diesem Bedürfnis heraus erarbeiteten die Netzwerkakteure gemeinsam die Charta zur Konstituierung einer überkantonalen ostschweizerischen Plattform zur Burnout-Prävention in der Landwirtschaft. Die Charta bildet eine Grundsatzerklärung zur Umsetzung von Burnout-Präventionsmassnahmen und ist handlungsleitend für das Projekt.
Sie gibt allgemeine organisatorische und ethische Leitlinien für die Gestaltung und Zusammenarbeit und dient als Leitbild für die Weiterentwicklung von Angeboten sowie für die Ausbildung von Peers und Sentinels. Neben Massnahmen zur Früherkennung wurde auch die Sensibilisierung und Öffentlichkeitsarbeit als wichtiger Pfeiler in der Primär- und Sekundärprävention eines Burnouts identifiziert und in der Charta festgehalten.
Ein besonderes Merkmal der Charta ist ihre Offenheit: Sie kann fortlaufend durch weitere Netzwerkpartner in der Gesamtschweiz unterzeichnet werden. Dies ermöglicht eine organische Erweiterung des Netzwerks und die schrittweise Integration neuer regionaler und kantonaler Partner.
Projektziele Burnout-Prävention 2.0
Das Projekt verfolgt drei zentrale Ziele, die durch aufeinander abgestimmte Arbeitspakete umgesetzt werden:
- Erweiterung und Intensivierung eines schweizweiten Netzwerkes
Im Arbeitspaket 1 steht die schweizweite Erweiterung und Intensivierung des bestehenden Netzwerks im Fokus. Dies erfolgt zunächst durch die systematische Erfassung, Abgleichung und Verbindung bestehender Beratungsorganisationen und Beratungspraxen. Ein besonderer Schwerpunkt liegt auf der Einbindung von Peers (ehemals Betroffene von Stresserkrankungen) und Brückenpersonen (Akteure aus dem Umfeld der Landwirtinnen und Landwirte wie Milchannahmestellen, Genossenschaften, Treuhänder, Besamungstechniker, Tierärztinnen und Tierärzte).
Betroffene, Interessierte und Unterstützende werden durch Erfahrungsberichte, Diskussionsrunden, Themenabende und Webinare auf Verlaufsformen eines Burnouts sowie auf mögliche Hilfen aufmerksam gemacht. Gleichzeitig dienen diese Formate dazu, Peers und Brückenpersonen anzuwerben.
Diese Netzwerkerweiterung bildet die unverzichtbare Grundlage für die Verbreitung und Nutzung der Weiterbildungsangebote. Durch regelmässige schweizweite Netzwerkveranstaltungen fliessen aktuelle Projektstände in die Treffen ein, und es können im Sinne eines iterativen Evaluationsprozesses weitere Ideen und Anregungen zur Projektarbeit diskutiert und in die Ergebnisse einbezogen werden.
- Professionalisierung des Beratungsnetzwerks
Im Arbeitspaket 2 wird die Professionalisierung des Beratungsnetzwerks vorangetrieben. Zentral ist dabei die Entwicklung eines Qualitätsstandards für das Präventionsnetzwerk, welche sich an bestehenden Standards und Erfahrungen orientieren.
Darauf aufbauend werden Mindestanforderungen für Beratungsdienste, Peers und Brückenpersonen festgelegt. Die Weiterbildungsangebote werden auf verschiedenen Stufen und in verschiedenen Grössenordnungen konzipiert: von Kurzseminaren an landwirtschaftlichen Schulen über aufsuchende Bildungsarbeit (Kurzvorträge in abgelegenen Regionen oder bei landwirtschaftlichen Veranstaltungen) bis zu mehrtägigen Ausbildungs- und Weiterbildungsmodulen, aber auch informative Angebote, wie Podcasts oder Videos.
Begleitend zur Konzeption der Weiterbildungsprogramme werden Lehr- und Kommunikationsmaterialien für die Aus- und Weiterbildung der verschiedenen Beratungsprofile erstellt. Dabei werden die verschiedenen Rollenprofile (Brückenpersonen, Peer-Beratende und professionelle Beratende) und deren Kompetenzen systematisiert sowie das Zusammenspiel der verschiedenen Rollen im Beratungsnetzwerk beschrieben. Die genaue Form der Lehrmaterialien – ob interaktive Lehrvideos, rollenspezifische Lehrhefte oder ein integriertes Lehrbuch – wird im Rahmen des Projektes anhand von Interviews und Netzwerktreffen mit Fachpersonen entschieden.
- Öffentlichkeitsarbeit und Konzeption der SBLV Web-Plattform
Im Arbeitspaket 3 wird während der gesamten Projektlaufzeit eine tragfähige Lösung für den mittel- und langfristigen Unterhalt, Weiterbetrieb und Aktualisierungen der SBLV Web-Plattform «Burnout-Prävention in der Landwirtschaft» entwickelt. Die SBLV-Webseite wird als zentrale Informationsplattform weiterentwickelt und verwendet. Das Projektteam und Netzwerk gewährleistet, dass Erkenntnisse, ausgearbeitete Beratungsinstrumente sowie weiterführende Informationen (Beratungs- und Weiterbildungsangebote, Aufklärungsveranstaltungen) über die Plattform zur Verfügung gestellt werden.
Während der Laufzeit wird die Plattform sukzessive konzipiert und durch das Netzwerk validiert. Die inhaltliche Gestaltung wird dabei schrittweise durch die Projektinhalte befüllt. Flankierend dienen regelmässige Kommunikationsmassnahmen ausgehend von der Web-Plattform dazu, Veranstaltungen, Erfahrungsberichte, Diskussionsrunden, Webinare, Themenabende und Netzwerkanlässe bekanntzumachen sowie Aktivitäten und Vernetzungen zu dokumentieren.
Nutzen des Projekts
Für Betroffene und ihre Familien
Jede vereitelte Burnout-Erkrankung erspart sehr viel individuelles Leid für die potenziell Betroffenen und deren Angehörige. Die niederschwelligen Zugangswege über Peers und Sentinels erhöhen die Wahrscheinlichkeit, dass Menschen in Krisensituationen rechtzeitig Hilfe in Anspruch nehmen. Das Projekt trägt dazu bei, die Verbesserung der Prävention arbeitsbedingter Erkrankungen durch Bekämpfung bestehender, neuer und neu entstehender Risiken zu fördern. Stressbetroffene und Laien werden in Zusammenarbeit mit Fachleuten befähigt, Risiken frühzeitig zu erkennen und zu verändern.
Für die Branche
Der Nutzen liegt in der Überführung der Resultate aus den verschiedenen Arbeitspaketen in ein integriertes Angebot mit multidimensionaler Unterstützung. Basierend auf der kommunikativen Ebene ist die grundlegende Netzwerk- und Sensibilisierungsarbeit Ausgangspunkt für die Etablierung und Nachfrage eines schweizweiten stabilen Netzwerks von professionalisierten Hilfeleistungen. Dies stärkt die Landwirtschaft als Branche und trägt zur Gesundheit und Arbeitsfähigkeit der in ihr tätigen Menschen bei.
Volkswirtschaftlicher Nutzen
Die Prävention von Burnout-Erkrankungen reduziert Arbeitsausfälle, Frühberentungen und die damit verbundenen sozialen und ökonomischen Kosten. Gesunde und arbeitsfähige Landwirtinnen und Landwirte sind die Grundlage für eine nachhaltige und produktive Landwirtschaft in der Schweiz.
Aufruf zur Mitarbeit: Gemeinsam ein starkes Netzwerk aufbauen
Das Projekt kann nur durch die aktive Beteiligung vieler Partner zum Erfolg werden. Wir laden kantonale Bauernverbände, landwirtschaftliche Bildungszentren, Beratungsorganisationen, Sozialberatungsstellen und alle im landwirtschaftlichen Umfeld tätigen Organisationen herzlich ein, Teil dieses innovativen Netzwerks zu werden.
Was bedeutet die Mitarbeit konkret?
- Unterzeichnung der Charta: Durch die Unterzeichnung der Charta zur Burnout-Prävention in der Landwirtschaft bekunden Sie Ihre Unterstützung für die gemeinsamen Ziele und Werte
- Aktive Netzwerkbeteiligung: Teilnahme an regelmässigen schweizweiten Netzwerktreffen zum Austausch und zur gemeinsamen Weiterentwicklung der Angebote
- Verbreitung von Informationen: Bekanntmachung der Angebote, Weiterbildungen und Materialien in Ihrer Region und Ihrem Netzwerk
- Identifikation und Begleitung von Peers und Brückenpersonen: Unterstützung bei der Gewinnung und Begleitung von Personen, die als Peers oder Brückenpersonen tätig werden möchten
- Integration in bestehende Strukturen: Einbindung der Weiterbildungsangebote in Ihre Aus- und Weiterbildungsprogramme
Warum sollten Sie mitmachen?
Die psychosozialen Risiken in der Landwirtschaft nehmen zu, und keine Organisation kann diese Herausforderung allein bewältigen. Durch die Zusammenarbeit im Netzwerk profitieren alle Beteiligten:
- Zugang zu wissenschaftlich fundierten Weiterbildungsmaterialien und Beratungsinstrumenten
- Austausch von Best Practices und Erfahrungen mit anderen Organisationen
- Stärkung der eigenen Beratungs- und Unterstützungsangebote
- Beitrag zu einer wirksamen und nachhaltigen Lösung für die gesamte Branche
- Positionierung Ihrer Organisation als verantwortungsvoller Partner in einem wichtigen gesellschaftlichen Thema
Das schweizweite Netzwerk ist bereits im Aufbau: Wichtige Partner wie der Schweizer Bauernverband sowie der Verein Hofkonflikt/Conflit Rural tragen die Idee eines gesamtschweizerischen Konzeptes mit.
Wie können Sie mitmachen?
Wenn Sie Interesse haben, Teil dieses wichtigen Netzwerks zu werden, kontaktieren Sie uns. Gemeinsam können wir die Burnout-Prävention in der Landwirtschaft schweizweit stärken und vielen Menschen helfen, gesund zu bleiben oder wieder gesund zu werden.
Kontakte
Schweizerischer Bäuerinnen- und Landfrauenverband (SBLV)
Gabi Schürch, Kathrin Bieri
OST – Ostschweizer Fachhochschule
Wissenschaftliche Co-Leitung: Prof. Dr. Oliver Christ, Prof. Dr. Stefan Paulus
Weitere Informationen
Charta zur Burnout-Prävention in der Landwirtschaft
Laufzeit: 01.09.2025 - 29.02.2028
Projektfinanzierung:
Gefördert durch das Bundesamt für Landwirtschaft (BLW)
Kooperation:
- Schweizerischer Bäuerinnen- und Landfrauenverband (SBLV)
- OST – Ostschweizer Fachhochschule (Department Soziale Arbeit und Institut für Organisation und Leadership, Department Wirtschaft)


