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Kreislaufwirtschaft trifft Digitalisierung: Neue Wege für die Land- und Ernährungswirtschaft

Die Ernährungsbranche steht unter Druck: Ressourcenknappheit, Klimawandel und Ernährungssicherheit verlangen neue Wege. Im Circular Lab analysiert das IOL gemeinsam mit regionalen Partnern die Möglichkeiten und nutzt digitale Lösungen zur Verbesserung der Nachhaltigkeit in der Land- und Ernährungswirtschaft.

 

28.05.2025

Warum die Ernährungsindustrie an Grenzen stösst

Technologische Fortschritte wie die Grüne Revolution haben die Ernährungsindustrie produktiver gemacht, allerdings mit gravierenden Nebenwirkungen: Rund ein Drittel der globalen Treibhausgasemissionen gehen auf die Branche zurück (Crippa et al., 2021). Massive Flächennutzung für Viehzucht und Monokulturen für Soja oder Palmöl führen zu Biodiversitätsverlusten und ökologischer Degradation (FAO, zit. nach Ritchie & Roser, 2024; WWF, 2020). Hinzu kommt ein enormer Ressourcenverlust durch Lebensmittelverschwendung: 2022 wurden weltweit über eine Milliarde Tonnen Lebensmittel weggeworfen, was 8-10 % der Treibhausgasemissionen verursacht (UNEP, 2024). Ohne tiefgreifenden Wandel sind Ernährungssicherheit und ökologische Stabilität gefährdet. Es braucht neue Strategien, die Effizienz mit Nachhaltigkeit verbinden.
Die Kreislaufwirtschaft bietet einen vielversprechenden Gegenentwurf: Sie ersetzt das lineare «Produzieren-Nutzen-Entsorgen»-Modell durch zirkuläre Ansätze, die das Potenzial haben, in eine konkrete, systemische Umgestaltung überzugehen. Im Zentrum stehen eine intelligentere Ressourcennutzung, verlängerte Produktlebenszyklen, geschlossene Stoffkreisläufe und die Regeneration natürlicher Systeme (Konietzko et al., 2020). Mit solchen Strategien lassen sich Material-, Rohstoff- und Energieverbrauch ebenso wie Abfall und Emissionen messbar reduzieren und ganze Wirtschaftsbereiche nachhaltig umgestalten.

Digitale Hebel für die Kreislaufwirtschaft

Damit diese Strategien tatsächlich wirksam werden, braucht es digitale Werkzeuge, die nachhaltiges Wirtschaften systematisch ermöglichen, unterstützen und beschleunigen. Diese Verbindung adressiert das Konzept Digitainability, das digitale Innovationen als Treiber nachhaltiger Transformation versteht.
Digitale Technologien wie Sensoren, Datenplattformen und Algorithmen schaffen Transparenz in Stoffströmen, ermöglichen präzises Ressourcenmonitoring und datenbasierte Prozesssteuerung. Sie liefern damit nicht nur belastbare Analysen und Prognosen, sondern helfen auch, Kreisläufe entlang der gesamten Wertschöpfungskette gezielt zu optimieren.
Digitale Plattformen eröffnen zudem neue Formen der Zusammenarbeit, etwa durch vernetzte Kooperationsprozesse und transparente regionale Wertschöpfungsnetzwerke. So wird Nachhaltigkeit in der Branche nicht nur messbar und steuerbar, sondern auch skalierbar und wirtschaftlich tragfähig - für Unternehmen, Regionen und Netzwerke.

«Die Strategien der Kreislaufwirtschaft», eigene Darstellung in Anlehnung an Circle Economy Foundation (2023)

Am Institut für Organisation und Leadership der OST

Ein aktuelles Projekt, das Circular Lab, vereint Forschende von sechs Hochschulen mit innovativen Unternehmen aus der Bodenseeregion, um gemeinsam Lösungen für eine zirkuläre Wirtschaft zu entwickeln. Das Institut für Organisation und Leadership (IOL) der OST übernimmt im Circular Lab die Koordination des Branchenclusters Land- und Ernährungswirtschaft - einem der beiden Schwerpunktbereiche neben der Textilindustrie. 
Im Circular Lab wird einerseits systematisch analysiert: Welche Prozesse prägen das bestehende System und wo liegen die wirksamsten Stellhebel für Veränderung? Darauf aufbauend entstehen praxisnahe Instrumente wie Kennzahlensysteme und Bewertungsmodelle, die Entscheidungsträger in Regionen und Unternehmen dabei unterstützen, kreislauforientierte Strategien datenbasiert zu entwickeln und zu steuern und somit die nachhaltige Transformation gezielt voranzutreiben.
Das Lab wird durch Interreg VI «Alpenrhein-Bodensee-Hochrhein» (ABH) gefördert, dessen Mittel vom Europäischen Fonds für Regionale Entwicklung (EFRE) und vom Schweizer Bund zur Verfügung gestellt werden.

Quellen

Circle Economy Foundation. (2023). The Circularity Gap Report 2023 (Circle Economy Foundation & Deloitte, Hrsg.). Verfügbar unter: www.circularity-gap.world/2023
Crippa, M., Solazzo, E., Montforti-Ferrario, F., Tubiello, F. N. & Leip, A. (2021). Food systems are responsible for a third of global anthropogenic GHG emissions. Nature Food, 2, 724–732. doi.org/10.1038/s43016-021-00225-9
Ritchie, H., Roser, M. (2024, 16. Februar). Half of world’s habitable land is used for agriculture. ourworldindata.org/global-land-for-agriculture
UNEP (2024). Food Waste Index Report 2024. Nairobi. www.unep.org/resources/publication/food-waste-index-report-2024
Konietzko, J., Bocken, N. & Hultink, E. J. (2020). A Tool to Analyze, Ideate and Develop Circular Innovation Ecosystems. Sustainability, 12(1), 417. doi.org/10.3390/su12010417
WWF (2020) Living Planet Report 2020 - Bending the curve of biodiversity loss. Almond, R.E.A., Grooten M. and Petersen, T. (Eds). WWF, Gland, Switzerland.

Ansprechspersonen

Prof. Dr. Oliver Christ

IOL Institut für Organisation und Leadership Professor für Organisation / stv. Institutsleiter

+41 58 257 17 74 oliver.christ@ost.ch

Laura Koller

IOL Institut für Organisation und Leadership Wissenschaftliche Mitarbeiterin

+41 58 257 16 64 laura.koller1@ost.ch