Datenbewertung: Was ist eine Dateninventur?
Autor: Prof. Dr. Rigo Tietz
Daten stellen für viele Unternehmen eine zentrale Ressource dar – sowohl im operativen Tagesgeschäft als auch für strategische Entwicklungen. In Geschäftsprozessen wie Vertrieb, Produktion oder Service spielen Daten aus CRM-, ERP- oder PLM-Systemen eine Schlüsselrolle. Gleichzeitig sind sie Treiber für Innovationen und Grundlage für die Entwicklung neuer Geschäftsideen, digitaler Produkte und Dienstleistungen oder datenbasierter Geschäftsmodelle.
Wie bei einem Eisberg liegt der wahre Wert von Daten oft unter der Oberfläche. Was sichtbar ist – etwa die direkt genutzten Daten in operativen Systemen – bildet nur die Spitze. Der weitaus grössere Teil des Potenzials bleibt verborgen, solange Unternehmen keine Transparenz über ihre Datenbestände schaffen. Gerade weil es sich bei Daten um immaterielle Güter handelt, ist ihre systematische Erfassung und Bewertung entscheidend, um ihren strategischen Nutzen zu erschliessen.
Die Dateninventur stellt hierfür ein methodisches Verfahren dar, mit dem sämtliche im Unternehmen vorhandenen Daten systematisch erfasst, analysiert und hinsichtlich ihres Nutzungspotenzials bewertet werden. Ziel ist nicht die Sammlung der Datensätze selbst, sondern die strukturierte Dokumentation ihrer Metadaten, also Informationen über Inhalt, Herkunft, Struktur und Nutzung der Daten. Im Rahmen der Dateninventur werden zentrale Fragestellungen adressiert: Welche Datenquellen sind bereits vorhanden und erschlossen (intern, extern, öffentlich)? Um welche Datenarten handelt es sich (z. B. Stammdaten, Transaktionsdaten, personenbezogene oder nicht personenbezogene Daten)? In welchen Geschäftsprozessen werden diese Daten verarbeitet und genutzt? Wie weit sind die Daten verfeinert (Rohdaten, Verknüpfungsdaten)? In welcher Struktur liegen sie vor (strukturiert, semi-strukturiert, unstrukturiert)? Und schliesslich: Wem gehören die Daten, und wie sind Eigentums- und Nutzungsrechte geregelt?
Im Anschluss an die Dateninventur erfolgt die Datenbewertung. Hierbei kommen unterschiedliche Bewertungsverfahren zum Einsatz, wobei im Kontext von Innovationen insbesondere die nutzenbasierte Bewertung eine zentrale Rolle spielt. Sie zielt darauf ab, den konkreten Mehrwert von Daten für bestehende oder potenzielle zukünftige Use Cases zu identifizieren und zu quantifizieren. Auf diese Weise wird eine fundierte Entscheidungsgrundlage für die strategische Nutzung von Daten geschaffen – und der verborgene Wert unter der Oberfläche sichtbar gemacht.

Literatur:
Tietz, R., Lux, W., Scheler, S., & Rudin, F. (2025). Datenbewertung in der Praxis. In Data Sharing für KMU: Voraussetzungen und Instrumente für die gemeinsame Nutzung von Daten, S. 125-141. Berlin, Heidelberg: Springer Berlin Heidelberg.
Tietz, R., Lux, W., & Rudin, F. (2023). Daten als Schlüsselressource erkenne und Potenziale nutzen. KMU-Magazin, 7/8, S. 94-99.
