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Demenz als gesellschaftliche Herausforderung

09.07.2025

Rund 80 Prozent der Menschen mit Demenz werden zu Hause vom privaten Umfeld betreut, oft bis zur völligen Erschöpfung der Angehörigen. Spezialisierte Tageszentren könnten Entlastung bieten, werden aber nur selten in Anspruch genommen. Warum sich pflegende Angehörige für oder gegen ein Tageszentrum entscheiden – Erkenntnisse aus der Masterarbeit von Anita Bittner.

Anita Bittner, Absolventin des MAS Dementia Care an der OST.
Anita Bittner leitet seit sechs Jahren ein Tageszentrum. In ihrer Masterarbeit hat die Absolventin des MAS Dementia Care an der OST – Ostschweizer Fachhochschule untersucht, welche Auswirkungen der Besuch eines Tageszentrums auf die Beteiligten hat.

Hemmschwellen und emotionale Barrieren

Viele Angehörige zögern, die Unterstützung eines Tageszentrums in Anspruch zu nehmen, da sie befürchten, ihren Liebsten das Gefühl zu vermitteln, sie «abzuschieben». Menschen mit Demenz können aufgrund ihrer Erkrankung kognitiv nicht nachvollziehen, dass ihre pflegenden Angehörigen überlastet sind und Unterstützung benötigen. Aussagen wie «Du willst mich doch nur loswerden» verstärken das Zögern der Pflegenden und führen zu einer zusätzlichen emotionalen Belastung.
 

Vorteile von Tageszentren

Tageszentren bieten weit mehr als nur pflegerische Betreuung. Sie ermöglichen therapeutische Aktivitäten wie Bewegung, Gedächtnistraining und kreatives Gestalten. Zudem erhalten Menschen mit Demenz dort die Möglichkeit, neue Kontakte zu knüpfen, statt allein zu Hause zu sitzen. Pflegende Angehörige erhalten mehr Freiräume, beispielsweise um den Haushalt zu machen oder sich zu erholen. Zusätzlich werden sie emotional unterstützt, denn Tageszentren stehen bei schwierigen Situationen beratend zur Seite.
 

Aufklärung und nachhaltige Unterstützung

Die Ergebnisse von Anita Bittners Masterarbeit zeigen, dass viele Tageszentren fälschlicherweise mit stationärer Pflege in Verbindung gebracht werden. Eine verbesserte Beratung und Aufklärung sind daher essenziell, um Angst und Unsicherheit bei pflegenden Angehörigen zu reduzieren. Sie hat an ihrem Arbeitsort einen «Einblickstag» ins Leben gerufen und die Möglichkeit einer stundenweisen Betreuung verankert. Damit möchte sie Hemmschwellen abbauen. Sie rät Angehörigen von Menschen mit Demenz, frühzeitig Unterstützung zu holen. Der Eintritt in ein Tageszentrum gelinge in einem früheren Stadium der Demenz oftmals besser.
 

Kompetenz durch Weiterbildung

Das Studienprogramm MAS Dementia Care an der OST vermittelt Pflegefachkräften nicht nur fundierte pflegewissenschaftliche Erkenntnisse, sondern auch die methodischen Kompetenzen, um im komplexen Feld der Demenzpflege passgenaue Unterstützung zu bieten. So wird ein entscheidender Beitrag zur Verbesserung der Lebensqualität von Menschen mit Demenz und ihren Familien geleistet.