Arbeitsrecht – Ist Ihr Unternehmen auf flexibles Arbeiten vorbereitet?
23.09.2025
Die Digitalisierung hat in vielen Berufen die Möglichkeit für flexibles Arbeiten geschaffen. Damit verbunden sind neue Freiheiten, aber auch rechtliche Herausforderungen. Arbeitgeber und Arbeitnehmende sollten insbesondere Aspekte wie Gesundheitsschutz, Erreichbarkeit und Datenschutz im Blick behalten.
1. Hat der Arbeitnehmende Anspruch auf ein flexibles Arbeitsmodell?
Bei der Form des „flexiblen Arbeitens“ kann der Arbeitnehmende ganz oder teilweise seine Arbeitsleistung ortsunabhängig verrichten (z.B. Homeoffice, Co-Working Space, Büroräumlichkeiten des Arbeitgebers u.a.) und auch zeitlich flexibler arbeiten.
In erster Linie muss die Tätigkeit geeignet sein für ein flexibles Arbeiten. Dies ist nur möglich, wenn die Anwesenheit am Arbeitsort nicht zwingend ist (zwingend z.B. beim Empfang, im Service) und die berufliche Tätigkeit auch zeitlich eine gewisse Flexibilität erlaubt.
Das Recht auf flexibles Arbeiten kann vom Arbeitnehmenden nicht einseitig durchgesetzt werden. Dieses Arbeitsmodell bedarf einer ausdrücklichen Vereinbarung zwischen dem Arbeitnehmenden und dem Arbeitgeber. Es ist zu beachten, dass die Vereinbarung im Rahmen des Weisungsrechts des Arbeitgebers widerrufbar ausgestaltet ist. So kann in den Fällen, wo die neu gewonnene Freiheit für den Arbeitnehmenden (z.B. wegen zu wenig Struktur) oder dem Arbeitgeber nicht funktioniert, der Arbeitgeber diese Vereinbarung einseitig rückgängig machen kann.
2. Im flexiblen Arbeitsmodell umfasst die Erreichbarkeit nicht 24 Stunden
Nicht nur örtlich auch zeitlich kann das Arbeitsmodell Flexibilität mit sich bringen. So ist die Vereinbarung von „Gleitzeit“ oder einer komprimierten Arbeitswoche (35-40 Stunden in weniger als 5 Tagen) möglich. Stets sind allerdings die gesetzlichen Vorschriften zu Arbeits- und Ruhezeiten sowie Arbeitsverbote für Sonn- und Feiertage etc. im Arbeitsrecht zu beachten. Um die Arbeits- und Ruhezeiten für den Arbeitnehmenden sicherstellen zu können und sich gleichzeitig zu vergewissern, dass der Arbeitnehmende seine Leistung ordnungsgemäss auch im flexiblen Arbeitsmodell erbringt, ist es empfehlenswert, eine klare Arbeitszeitregelung mit einem Arbeitszeiterfassungssystem zu führen. Um der Gefahr des Gefühls für den Arbeitnehmenden der ständigen Erreichbarkeit entgegenzuwirken, sollten feste Zeiten festgelegt werden, wann der Arbeitnehmende definitiv telefonisch zu erreichen ist (z.B. 9:00 Uhr bis 16:00 Uhr). Mit solchen Präsenzzeiten kann ferner eine bessere Abgrenzung zwischen Arbeit und Privatem erzielt werden.
3. Gesundheitsschutz gehört zum flexiblen Arbeiten
Die im Arbeitsrecht verankerte Fürsorgepflicht des Arbeitgebers bezieht sich nicht nur auf eine normale „work-life-Balance“ und damit auf die psychische Verfassung des Arbeitnehmenden, sondern auch auf die physische Gesundheit. Die Schutzpflicht umfasst u.a. Regelungen und Vorkehrungen zur Einrichtung eines Arbeitsplatzes im Hinblick auf deren Lichtverhältnisse, die Belüftung, die Ergonomie und den Bildschirm des Arbeitnehmenden. Ausserdem können Betriebsunfälle, für die der Arbeitgeber haftet, ebenso zu Hause passieren, zum Beispiel durch ein nicht ordnungsgemäss verlegtes Stromkabel, das als Stolperfalle dienen kann.
Aufgrund der räumlichen Trennung und somit der fehlenden direkten Aufsicht vom Arbeitgeber ist dieser auf die aktive Beteiligung des Arbeitnehmenden angewiesen. Grundanforderungen an die Ausgestaltung an den Arbeitsplatz und dessen Umfeld könnten zum Beispiel in der internen Richtlinie festgehalten werden.
4. Vertrauliche Daten müssen auch ausserhalb der Büroräumlichkeiten sicher sein.
Dem Thema Vertraulichkeit (Schutz der Betriebsgeheimnisse) und Datenschutz (Schutz der Personendaten) kommt sowohl innerhalb wie auch ausserhalb der gewohnten Büroräumlichkeiten des Arbeitgebers eine grosse Bedeutung zu. Es ist im Interesse beider Parteien, persönliche Daten, vertrauliche Dokumente oder betriebliche Informationen ausreichend zu schützen.
Um die Einhaltung der Vertraulichkeit sicherzustellen, gilt es geeignete technische und organisatorische Massnahmen zu treffen. Dazu gehören u.a. gesicherte Zugänge zu internen Systemen via VPN, eine Clean-Desk-Policy, die eine Bildschirm- und Passwortsperre beim Verlassen des Arbeitsplatzes sowie das Verwenden eines Blickschutzfilters beinhaltet, falls mehrere Personen zu Hause oder in einem öffentlichen Working-Space arbeiten. Es sollte zudem eine klare Regelung zur Aufbewahrung vertraulicher Unterlagen bestehen und die Arbeitnehmenden sollten sensibilisiert werden, dass vertrauliche Gespräche nicht in der Öffentlichkeit (Zug, öffentliches Café) zu führen sind. Genauso wenig dürfen Arbeitsdokumente mit dem Haushalt oder unbeteiligten Dritten geteilt oder im normalen Altpapier entsorgt werden.
Autorin
Dr. iur. Franziska Pertek ist Dozentin für Wirtschaftsrecht für den Studiengang Management und Recht. Sie beschäftigt sich schwerpunktmässig mit Vertragsrecht, Compliance, Datenschutz und IT-Recht.

5. Wer trägt die Kosten für das flexible Arbeitsmodell?
Bei dieser Frage kommt es ganz darauf an, ob dem Arbeitnehmenden in den Büroräumlichkeiten des Arbeitgebers ein Arbeitsplatz zu jeder Zeit zur Verfügung steht oder nicht. Besteht eine alternierenden Arbeitsplatz-Lösung (z.B. zwei Arbeitnehmende teilen sich einen Arbeitsplatz), dann sind zusätzliche Kosten, die dem Arbeitnehmenden ausserhalb der Büroräumlichkeiten entstehen (z.B. Zusatzkosten Internetverbindung usw.), zu ersetzen. Dies kann mit einer angemessenen Spesenpauschale monatlich abgedeckt werden. Kann der Arbeitnehmende jeden Tag aber selbst entscheiden, ob er an den Arbeitsplatz im Büro geht oder nicht, entfällt aufgrund der ständigen Verfügbarkeit des Arbeitsplatzes im Büro die Kostentragung für den Arbeitgeber.
6. Arbeiten im Ausland ist in engen Grenzen möglich
Im Zusammenhang mit dem flexiblen Arbeiten stellt sich die Frage, ob ein Arbeiten ausserhalb der Schweiz möglich ist. Wenn der Arbeitgeber dem zustimmt, müssen unbedingt die Grenzen des Sozialversicherungsrechts beachtet werden.
Will man negative Auswirkungen auf die Sozialversicherungen vermeiden (wie Sozialabgaben in einem anderen Land), muss darauf geachtet werden, dass der Arbeitnehmende nicht mehr als 24.9 % ausserhalb der Schweiz arbeitet (bei Teilzeitpensum muss diese Grenze entsprechend angepasst werden). Im EU-/EFTA Raum ist es möglich, dass sogar bis zu 49.9% Tätigkeit im Ausland erlaubt sind. Dies muss im Einzelfall abgeklärt werden.
Fragen wie Aufenthalts- und Arbeitsgenehmigung müssen beim Arbeiten im Ausland ebenso gestellt werden wie die Frage, ob die Unfallversicherung oder die Krankentaggeldversicherung mit Sachverhalten im Ausland umgehen.
Wenn vom Arbeiten im Ausland die Rede ist, muss auch die Grenzgänger-Problematik angesprochen werden. Gerade für die angrenzenden Länder der Schweiz ist ein Arbeiten im Homeoffice für den Grenzgänger bis zu 49,9% seiner Arbeitszeit möglich.
7. To dos
Es ist empfehlenswert, die rechtlichen Rahmenbedingungen für zeitlich flexibles Arbeiten ausserhalb der Büroräumlichkeiten des Arbeitgebers schriftlich zu regeln (z.B. Ergänzung Arbeitsvertrag)
Genau zu regeln sind:
- Regelung des flexiblen Arbeitsmodells (z.B. Pensum Vor-Ort-Tage, Arbeitsort)
- Arbeitszeit (z.B. Regelung Kernarbeitszeit)
- Kostentragung (z.B. Spesenpauschale)
- Handlungsempfehlungen für den Gesundheitsschutz und Vertraulichkeit/Datenschutz
Doch selbst wenn die rechtlichen Grundlagen in einem Unternehmen ordnungsgemäss geschaffen wurden, müssen diese auch bis zu den Arbeitnehmenden durchdringen und verstanden werden. Es ist daher ratsam, die Arbeitnehmenden diesbezüglich zu schulen.
Bei allen Veränderungen, welche das flexible Arbeiten mit sich bringt, ist die aktive Beteiligung sowohl von Arbeitgebern wie Arbeitnehmenden gefragt. Auf der einen Seite muss Vertrauen des Arbeitgebers gegenüber seinen Arbeitnehmenden gegeben sein und auf der anderen Seite darf dieses Vertrauen auch nicht ausgenutzt werden.
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