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Finanzplanung in einer unsicheren Welt

23.09.2025

Macht Finanzplanung im aktuellen wirtschaftlichen Umfeld überhaupt noch Sinn?

Finanzplanung ist für viele Unternehmen wie ein Blick in die Glaskugel: Das wirtschaftliche Umfeld wirkt aktuell turbulenter denn je, Trends ändern sich rasant, Prognosen sind oft schon morgen veraltet und die investierte Zeit für Planung scheint selten im Verhältnis zum konkreten Nutzen zu stehen. Gerade die aktuellen Unsicherheiten bezüglich Zöllen und Handelsbarrieren, schwankenden Wechselkursen und geopolitischen Unsicherheiten verstärken das Gefühl, dass langfristige Planung kaum Sinn macht – zu viele Variablen, zu wenig Vorhersehbarkeit, die Risiken und Chancen sind kaum zu greifen.

Viele Unternehmen zweifeln daher am Nutzen langfristiger Planung. Doch genau diese Unsicherheit und Dynamik machen eine systematische und vorausschauende Finanzplanung für KMU unverzichtbar. Gerade in unruhigen Zeiten hilft eine solide finanzielle Zukunftsplanung, Risiken früh zu erkennen, Chancen gezielt zu nutzen und die unternehmerische Handlungsfähigkeit zu bewahren. Aber wie kann eine Finanzplanung diesen Ansprüchen gerecht werden?

Kernaspekte einer erfolgreichen Finanzplanung

  • Institutionalisierung der Finanz- und Liquiditätsplanung
    Die regelmässige Erstellung von Finanzplänen ist in KMU oft noch reaktiv, tatsächlich sollte sie aber als festes Steuerungsinstrument etabliert werden. Fehlende Planungen begünstigen gerade in schwierigen Phasen die Gefahr von Liquiditätsengpässen und Insolvenzen. Eine strategisch ausgerichtete Planung verschafft die notwendige Handlungssicherheit, um Risiken und Chancen rechtzeitig und strukturiert angehen zu können.
     
  • Strategischer Bezug und Konsistenz
    Eine gute Finanzplanung ist ein direktes Abbild der unternehmerischen Strategie. Sie setzt nicht nur vergangenheitsbezogene Zahlen fort, sondern verknüpft Geschäftszahlen mit den geplanten Massnahmen zur Zielerreichung. Eine konsistente und nachvollziehbare Modellierung bildet das Geschäftsmodell mit ihren Wert- und Risikotreibern korrekt ab und sorgt für relevante, entscheidungsorientierte Informationen.
     
  • Prozesse und Transparenz
    Ein institutionalisiertes Vorgehen und dokumentierte Annahmen erhöhen die Nachvollziehbarkeit und beugen Fehlern vor. Ein klar strukturierter Prozess zur Datenaufbereitung und -validierung sorgt für robuste Zahlen und schafft Vertrauen bei den Entscheidungsträgern. Die Unterscheidung zwischen Fakten und Planannahmen muss jederzeit erkennbar sein.

Modellierung und Auswahl geeigneter Werkzeuge

In der Umsetzung der Finanzplanung bleibt für viele KMU Microsoft Excel das Standardinstrument schlechthin – ist es doch in vielen Fällen bereits vorhanden und bietet zudem ein hohes Mass an Anpassbarkeit auf die unternehmensspezifischen Eigenheiten. Die Nachteile zeigen sich dann, wenn ein schlechtes, unübersichtliches, fehlerbehaftetes und inkonsistentes Excel-Modell die Resultate der Planung anzweifeln lassen.

Die Technik des «Financial Modelling» bietet hier eine Hilfestellung. Dazu hat sich ein internationaler Standard (FAST) mit dem Ziel entwickelt, Prozesse, Techniken, Fertigkeiten und Hilfsmittel zu standardisieren, um selbsterstellte Finanzmodelle in Kalkulationsprogrammen «robust» und verlässlich zu machen. Dieser «FAST Standard» stellt das methodische Toolset für die Entwicklung von konsistenten, glaubwürdigen und auch interpretierbaren Finanzmodellen zur Verfügung. Er setzt auf klare Regeln und Standardisierung, die in der Arbeit mit einem flexiblen Werkzeug zur Anwendung kommen sollen. Mit dem Befolgen dieser Regeln gewinnen Finanzmodelle nicht nur an Glaubwürdigkeit. Sie werden mit der Standardisierung zusätzlich auch aus der Abhängigkeit von einzelnen Personen gelöst.

Autor

George Rupf ist Dozent für Accounting und Corporate Finance. Er befasst sich schwerpunktmässig mit der Finanzierung und finanziellen Führung von KMU sowie der Integration von Nachhaltigkeit in diese Themenbereiche.

Umgang mit Risiko und Unsicherheit

Selbst wenn sich die Finanzplanung auf best-practice-Standards der Modellierung stützt, bleibt der Vorwurf bestehen, dass die Zukunft nicht vorhersehbar ist. Dies ist im Kern richtig und entsprechend entscheidend ist der bewusste, systematische Umgang mit Risiko und Unsicherheit innerhalb der Planung. Durch den Einsatz gezielter Methoden können alternative Entwicklungen und deren Auswirkungen in der Planung sichtbar gemacht werden. Folgende Techniken können hierzu eine Hilfestellung bieten:

  • Sensitivitätsanalysen
    Einzelne Planungsgrössen werden isoliert verändert (z.B. Kosten je Stück +/- 10%) und auf ihre Auswirkungen auf die Zielgrösse beobachtet (z.B. auf das Jahresergebnis). Dadurch werden Zusammenhänge und Hebelwirkungen sichtbar. Allerdings kann rasch der Überblick verloren gehen. Auch sind es nur isolierte Veränderungen («ceteris paribus»). Resultieren aus den Simulationen keine negativen Resultate, besteht gar die Gefahr, dass sich ein trügerisches Sicherheitsgefühl breitmacht.
     
  • Szenarien
    Werden verschiedene mögliche Entwicklungen formuliert, bei denen mehrere Planungsgrössen gleichzeitig angepasst werden, kann der Nachteil der fehlenden Verbundwirkung von Sensitivitätsanalysen eliminiert werden. Oft werden Szenarien abgebildet wie «Best Case», «Expected Case» und «Worst Case». Damit hat man jedoch auch nur drei (oder einige mehr) mögliche künftige Entwicklungen dargestellt. Immerhin zeigen sie jedoch eine mögliche Bandbreite auf.
     
  • Monte-Carlo-Simulationen
    Die Methode der Monte-Carlo-Simulation beruht darauf, dass zentrale Einflussgrössen, die ein Unternehmen nicht selbst steuern kann (sogenannte «unabhängige Variablen»), hinsichtlich ihrer zukünftigen Entwicklung statistisch eingeschätzt werden. Für jede dieser Grössen wie beispielsweise Wechselkurse, Wachstumsraten, Absatzmengen oder externe Ereignisse, wird nicht nur ein einzelner Wert festgelegt, sondern eine Wahrscheinlichkeitsverteilung hinterlegt – etwa basierend auf historischen Daten oder Expertenprognosen.

    Um Wechselwirkungen zwischen Variablen wie etwa Absatzmenge und Maschinenlaufzeiten realistisch abzubilden, werden im Modell zudem deren Korrelationen berücksichtigt. Das bedeutet: Steigt beispielsweise der Absatz, erhöht sich unter Umständen auch die Beanspruchung der Maschinen und damit die Ausfallwahrscheinlichkeit. Die Simulation sorgt dafür, dass diese Zusammenhänge korrekt wiedergegeben werden und keine unrealistischen, gegenläufigen Verläufe entstehen.

    Das fertige Modell wird schliesslich mit allen Annahmen „gefüttert“ und lässt in zahlreichen Durchläufen (meist mehrere Tausend mal) alle relevanten Planungsgrössen gleichzeitig nach den hinterlegten Wahrscheinlichkeiten variieren. Am Ende liegen für die zu definierenden Zielgrössen nicht nur Einzelwerte, sondern Wahrscheinlichkeitsverteilungen vor. So lassen sich Bandbreiten, Eintrittswahrscheinlichkeiten und mögliche Extremfälle realistisch quantifizieren und auswerten.

Illustrative Beispiele der Monte-Carlo-Simulation

  • Wie wahrscheinlich ist es, dass das Eigenkapital des Unternehmens im 5. Jahr tiefer ausfällt als CHF 1.5 Mio.?

     Antwort: In keinem der 10'000 simulierten Fällen resultiert ein tieferes Eigenkapital. Im Weiteren ist ersichtlich, dass sich das Eigenkapital in rund 29.4%
     der Fälle auf mindestens CHF 1.65 Mio. erhöht.

  • Welche Planungsgrössen haben die grösste Wirkung auf die Eigenkapitalentwicklung im 1. Jahr?

     Antwort: Wie ersichtlich wird, hat die Gewinnmarge mit Abstand den grössten Einfluss auf das Eigenkapital, gefolgt vom EUR/CHF-Umrechnungskurs.
     Demgegenüber scheinen das Marktvolumen und der Verkaufspreis einen geringeren Einfluss zu haben.

  • Wie wird sich das Eigenkapital in den Jahren 1 – 5 voraussichtlich entwickeln?

     Antwort: Mit hoher Wahrscheinlichkeit kann im Verlauf der Jahre von einem Zuwachs des Eigenkapitals ausgegangen werden. Im farbigen Bereich der
     Grafik liegen 90% der Simulationsergebnisse. Allerdings zeigt der sich öffnende Trichter gleichzeitig, dass die Unsicherheit in den Berechnungen zunimmt.

Fazit

Wer seine Liquidität, Kosten, Investitionen und Rentabilität zuverlässig abschätzt und variabel auf neue Entwicklungen reagieren kann, schafft Transparenz und bleibt auch bei plötzlichen Veränderungen kontrolliert und handlungsfähig. Dank moderner Methoden lassen sich Risiko und Unsicherheit in der Finanzplanung abbilden bzw. «modellieren». Weniger die Exaktheit, als vielmehr die systematische Auseinandersetzung mit den finanziellen Möglichkeiten und Grenzen entscheidet dabei über nachhaltigen Unternehmenserfolg. Die Finanzplanung ist damit nicht nur ein Hilfsmittel zur Vorsorge, sondern ein strategisches Steuerungsinstrument, das dem Unternehmen Stabilität, Orientierung und Entscheidungsstärke verleiht.

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