Sprache

Neues Gewährleistungsrecht bei Baumängeln: Was gilt ab dem neuen Jahr?

10.12.2025

Am 1. Januar 2026 treten einige grundlegende Änderungen im Obligationenrecht in Kraft, welche die Mängelrechte von Bauherren und Käufern von Liegenschaften wesentlich stärken. Diese Gesetzesanpassungen haben bedeutende Auswirkungen für alle, die sich im Alltag mit Baumängeln konfrontiert sehen. Es lohnt sich, sich mit diesen Änderungen zu befassen und frühzeitig die nötigen Massnahmen zu ergreifen.

Mit dem neuen Gewährleistungsrecht für Baumängel möchte der Gesetzgeber die Stellung von Bauherren und Grundstückkäufern im Vergleich zum derzeit geltenden Recht massgeblich verbessern. Zu diesem Zweck wurden mehrere Gesetzesänderungen beschlossen, darunter:

  • die Einführung eines gesetzlichen Nachbesserungsanspruchs für Bauherren und Grundstückkäufer;
  • die Einführung einer Mindestverjährungsfrist von fünf Jahren bei Mängeln an unbeweglichen Werken und gekauften Grundstücken; sowie
  • die Einführung einer 60-tägigen Rügefrist bei Mängeln an gewissen Kaufsachen und Werken.
     

Gesetzlicher Nachbesserungsanspruch

Bestellerinnen und Besteller von werkvertraglichen Leistungen genossen bereits unter altem Recht dem Grundsatz nach einen Anspruch auf unentgeltliche Verbesserung des Werks, wenn dieses an einem Mangel litt. Dieser Anspruch war bis anhin jedoch nicht zwingender Natur. Das heisst, die Parteien konnten – wenn sie dies wollten – den Nachbesserungsanspruch wegbedingen oder sogar gänzlich auf die Gewährleistungsrechte verzichten.

Ab dem 1. Januar 2026 gilt bei Werkverträgen, die eine Baute zum Gegenstand haben, ein zwingender gesetzlicher Nachbesserungsanspruch. Bestellerinnen und Besteller können nicht zum Voraus auf diesen Anspruch verzichten (Art. 368 Abs. 2bis revOR). Erforderlich bleibt immerhin, dass die Nachbesserung dem Unternehmer keine übermässigen Nachteile verursachen darf.

Ebenfalls neu ist der zwingende gesetzliche Nachbesserungsanspruch des Käufers eines Grundstücks mit einer Baute, die in den letzten zwei Jahren vor dem Verkauf neu errichtet worden ist oder erst in der Zukunft errichtet wird (Art. 219a Abs. 2 revOR). Der Verbesserungsanspruch besteht dabei gegenüber dem Verkäufer, selbst wenn dieser die Baute gar nicht erstellt hat. Solche Konstellationen finden sich in der Praxis häufig – z.B., wenn ein Total- oder Generalunternehmer ein Gebäude unter Zuhilfenahme von Subunternehmern erstellt und als Ganzes verkauft. Die Subunternehmer erledigen in diesen Fällen den grossen Teil der Bauarbeiten, während der Total- oder Generalunternehmer eher koordinative Aufgaben wahrnimmt. 

In solchen Fällen wurde die Haftung des Verkäufers häufig unter gleichzeitiger Abtretung der Gewährleistungsansprüche gegenüber den Subunternehmern wegbedungen. Der Käufer musste dann ausfindig machen, welcher Subunternehmer für einen etwaigen Mangel verantwortlich ist, und versuchen, von diesem die Mängelbeseitigung zu verlangen. Dies kann naturgemäss herausfordernd sein.

Praxisbeispiel

Die Familie Keller kauft im Jahr 2027 von einer Generalunternehmerin ein neu erstelltes Einfamilienhaus. Ein Jahr nach dem Einzug zeigen sich Risse in der Fassade und Feuchtigkeitsschäden an den Fenstern.

Nach altem Recht hätte die Generalunternehmerin in den Vertragsunterlagen ihre Haftung wegbedingen und der Familie Keller lediglich die Gewährleistungsansprüche gegenüber den verschiedenen Subunternehmern abtreten können. Die Familie hätte dann selbst herausfinden müssen, welches Unternehmen für welchen Mangel verantwortlich ist.

Nach neuem Recht ist dies nicht mehr möglich: Die Familie Keller hat einen zwingenden Anspruch auf Nachbesserung gegenüber der Verkäuferin, auch wenn die Mängel durch Subunternehmer verursacht worden sind.

Die neue Regelung ist für Grundstückkäufer sicherlich vorteilhaft. Gleichzeitig stellt sie Verkäufer jedoch vor Herausforderungen: Verkäufer müssen nun die nötigen technischen oder finanziellen Mittel bereitstellen, um die Nachbesserung vorzunehmen; ein Verweisen auf die Subunternehmer ist nicht mehr möglich. Vielmehr noch sieht der Verkäufer sich nun dem Risiko ausgesetzt, dass er selbst nachbessern muss, während er gegenüber seinen Subunternehmern keine Ansprüche mehr durchsetzen kann – z.B., weil diese Ansprüche bereits verjährt sind.
 

Mindestverjährungsfrist von fünf Jahren

Bereits nach altem Recht galt für die Gewährleistungsrechte des Grundstückkäufers gegenüber dem Verkäufer eine Verjährungsfrist von fünf Jahren. Diese konnte jedoch von den Parteien angepasst werden. Das neue Recht sieht derweil eine teilzwingende Verjährungsfrist vor. Ab 2026 kann diese nicht mehr zulasten des Käufers verkürzt werden; eine Verlängerung ist jedoch weiterhin möglich (Art. 219a Abs. 3 revOR).

Dasselbe gilt für die Gewährleistungsansprüche aus einem Werkvertrag, sofern der Mangel ein unbewegliches Werk betrifft (oder ein bewegliches Werk, das bestimmungsgemäss in ein unbewegliches eingebaut worden ist; Art. 370 revOR). 
 

60-tägige Rügefrist bei gewissen Kauf- und Werkverträgen

Nach altem Recht galt bei allen Arten von Kauf- und Werkverträgen dieselbe Grundregel: Wird eine mangelhafte Sache geliefert und lässt sich der Mangel erkennen, muss dieser sofort beim Verkäufer bzw. Unternehmer gerügt werden. Tritt ein Mangel erst später zutage, kann die Rüge auch noch unmittelbar nach der Entdeckung erfolgen.

Ab dem 1. Januar 2026 wird diese Grundregel für gewisse Arten von Kauf- und Werkverträgen durchbrochen, namentlich:

  • Grundstückkaufverträge (Art. 219a Abs. 1 revOR)
  • Kaufverträge über bewegliche Sachen, sofern die bewegliche Sache bestimmungsgemäss in ein unbewegliches Werk eingebaut worden ist und sie die Mangelhaftigkeit des Werks verursacht hat (Art. 201 Abs. 4 revOR)
  • Werkverträge über unbewegliche Sachen sowie Werkverträge über bewegliche Sachen, die bestimmungsgemäss in ein unbewegliches Werk eingebaut worden sind und dessen Mangelhaftigkeit verursacht haben (Art. 370 Abs. 4 OR).

Bei allen diesen Verträgen gilt neu eine 60-tägige Rügefrist, die durch vertragliche Übereinkunft nicht verkürzt werden kann.

Mängel an anderen Kaufgegenständen und Werken müssen hingegen weiterhin sofort gerügt werden. In der Praxis dürfte es daher ratsam sein, immer besonders gründlich zu prüfen, ob ein Anwendungsfall der 60-tägigen Rügefrist vorliegt. Im Zweifel sollte weiterhin so rasch wie möglich die Mängelanzeige erfolgen.
 

Autor

Prof. HSG Dr. iur. Roman Schister ist Leiter des Kompetenzzentrums für Business Law und Dozent für Privat- und Wirtschaftsrecht.

Übergang von altem zu neuem Recht

Dem Grundsatz nach gilt für Verträge, die noch im alten Jahr abgeschlossen worden sind, das alte Recht; für jene, die ab dem 1. Januar 2026 abgeschlossen werden, gilt hingegen das neue Recht.

Dies kann im Einzelfall zu merkwürdigen Ergebnissen führen: Verkauft z.B. ein Generalunternehmer eine Stockwerkeinheit noch vor Jahresende, ist er nicht verpflichtet, dem Käufer Nachbesserung bei Mängeln zu leisten. Dem Nachbarn, der in derselben Liegenschaft nach dem Jahreswechsel eine andere Einheit erwirbt, steht dieser Anspruch hingegen zu, denn ihm ist der Nachbesserungsanspruch zwingend zu gewähren.
 

Fazit

Die revidierten Bestimmungen im Obligationenrecht führen im Vergleich zu den bisherigen Regelungen zu umfassenden Veränderungen, derer sich längst nicht alle Betroffenen bewusst sind. Um Überraschungen zu vermeiden, ist es daher allen Akteuren in der Baubranche zu empfehlen, sich frühzeitig mit den Änderungen zu befassen und die eigenen Vertragswerke und Prozesse an die neuen Rahmenbedingungen anzupassen.

Gegenstand einer gesamtheitlichen Prüfung sollten dabei nicht nur die Verträge mit den Endabnehmern bilden, sondern auch jene mit den Zulieferern. Nur so lässt sich das rechtliche und finanzielle Risiko, das mit der Geltendmachung etwaiger nunmehr zwingender Ansprüche verbunden ist, vernünftig einschätzen und steuern.

Mehr erfahren

Weiterbildung

Seminar «Baurecht kompakt: Neues Gewährleistungsrecht für Baumängel»

Dauer: 8.30 - 10.00 Uhr

Beginn: 15.12.2025

Kosten: CHF 145.–

Ort: Online

Weiterbildung

CAS Immobilienrecht

Dauer: 12 Präsenztage

Beginn: Nächster Start in Planung

Kosten: CHF 7900.-

Ort: Campus St.Gallen

Im CAS Immobilienrecht gewinnen Sie einen Überblick über die juristischen Rahmenbedingungen im Immobilienbereich und lernen, rechtliche Problemstellungen praxisnah und zielorientiert zu bearbeiten.