Wie baue ich digitale Services kundenorientiert auf?
Autor: Prof. Dr. Benjamin von Walter
Digitale Services sind Dienstleistungen, die mithilfe von Informations- und Kommunikationstechnologien erbracht werden (früher häufig auch als E-Services bezeichnet). Sie können sowohl als eigenständige, vermarktete Dienstleistungen („Serviceprodukte“) als auch als produktbegleitende Angebote auftreten. Unternehmen verschiedenster Branchen entwickeln und bieten digitale Services an. Beispiele sind Finanztools, Gesundheits-Apps, Cloud-Dienste, Online-Verwaltungsservices oder Anwendungen zur Steuerung von Maschinen und Anlagen.
Allerdings stossen viele digitale Services nicht auf die erhoffte Kundenakzeptanz. Auch wenn die Gründe für Flops im Einzelfall vielfältig sind, spielt mangelnde Kundenorientierung häufig eine zentrale Rolle. Unternehmen und Organisationen sollten daher von Beginn an die Kundenperspektive einbeziehen und berücksichtigen. Besteht eine erste Idee für einen digitalen Service, können Unternehmen und andere Organisationen dabei wie folgt vorgehen.
Konzeptentwicklung
Empfehlenswert ist zunächst die Erstellung von User Personas – Nutzerprofilen, die Ziele, Probleme und Charakteristika typischer Kunden beschreiben. Personas sollten auf realen Kundendaten basieren, die durch Workshops, Interviews und Umfragen generiert werden oder bereits vorhanden sind. Darauf aufbauend erfolgt die Entwicklung der Customer Value Proposition. Im Mittelpunkt steht die Frage, welchen konkreten Mehrwert der digitale Service den Kunden bieten soll. Um frühzeitig eine erste Markteinschätzung zu erhalten, sollte die Customer Value Proposition mit potenziellen Kunden diskutiert werden. Im Rahmen der Konzeptentwicklung sollten Unternehmen zudem versuchen, Adoptionsbarrieren zu antizipieren – also Eigenschaften digitaler Services, die die Akzeptanz hemmen können, wie z. B. die Preisgabe sensibler Daten oder die Substitution gewohnter menschlicher Beratung durch KI. Wenn frühzeitig klar ist, wo mögliche Hürden liegen, können diese später im Servicedesign und bei der Markteinführung adressiert werden.
Servicedesign
Neben einem klaren Kundennutzen ist ein positives Kundenerlebnis (Customer Experience), insbesondere eine hohe Nutzerfreundlichkeit (Usability), entscheidend für den Erfolg eines digitalen Services. Sie sollte im Zentrum der Gestaltung des Servicedesigns stehen. Zunächst erfolgt das sogenannte Mappingdes Serviceprozess. Hierunter wird die Festlegung der Prozessschritte verstanden, die Kunden bei der Nutzung des Services durchlaufen sollen. Wichtig ist die Wahl einer Mapping-Methode, die konsequent von der Kundenperspektive ausgeht und erst danach interne Abläufe definiert (z. B. Service Blueprinting). Auch potenzielle Failpoints für Kunden sollten frühzeitig identifiziert werden. Ist der Ablauf festgelegt, folgt die Gestaltung der Benutzeroberflächen. Meist beginnt dies mit einfachen Skizzen, die anschliessend in Wireframes, Mock-ups und ggf. klickbare Prototypen überführt werden. Für diese Schritte empfiehlt sich der Einsatz von User-Experience-Software. Wie bereits in der Konzeptphase ist auch hier das laufende Einholen von Kundenfeedback essenziell. Es steht ein breites Spektrum an Testmethoden zur Verfügung – von qualitativen Verfahren wie Gruppendiskussionen bis hin zu experimentellen A/B-Testings.
Markteinführung und Etablierung
Sind Konzept und Servicedesign abgeschlossen, folgt die technische Umsetzung. Parallel dazu sollte die Vermarktung geplant werden. Zunächst muss der digitale Service bekannt gemacht und das Interesse der Kunden geweckt werden. Während dies im B2B-Bereich häufig Aufgabe des Vertriebs ist, werden im B2C-Bereich gezielte Einführungskampagnen konzipiert. Diese können neben eigenen Medien (z. B. Social-Media-Kanäle) eine Vielzahl unterschiedlicher Werbemassnahmen umfassen. Wenn erste Bekanntheit und Interesse aufgebaut sind, können diese durch gezieltes Performance-Marketing in tatsächliches Nutzungsverhalten überführt werden. Darunter versteht man den Einsatz von Online-Marketing-Instrumenten wie SEO, SEA, Display Advertising oder E-Mailings mit dem Ziel, Kunden zur Erstnutzung zu bewegen. Viele Unternehmen setzen zudem auf Customer Education-Massnahmen – Lernangebote, die darauf abzielen, Wissen über den digitalen Service zu vermitteln und Kunden in die Lage zu versetzen, diesen effektiv zu nutzen.
Fazit: Wie diese Ausführungen deutlich machen, sollte die Entwicklung digitaler Services niemals nur als IT-Projekt verstanden werden. Wer die Kundenperspektive von Anfang an konsequent berücksichtigt – bei der Konzeptentwicklung, im Servicedesign und bei der Markteinführung – schafft die Grundlage für eine hohe Nutzerakzeptanz.
Sie möchten lernen, wie man digitale Services kundenorientiert aufbaut – von der Konzeption über das Servicedesign bis zur Markteinführung?
Weiterführende Literatur
Jacobsen, J., & Meyer, L. (2024). Usability und UX - Was alle wissen sollten, die Websites und Apps entwickeln (4. aktualisierte Auflage). Rheinwerk Verlag.
Kamps, I., & Schetter, D. (2020). Performance Marketing - Der Wegweiser zu einem mess- und steuerbarem Online-Marketing - Einführung in Instrumente, Methoden und Technik (2. Aufl.). Wiesbaden: Springer Gabler
Osterwalder, A., Pigneur, Y., Bernarda, G., & Smith, A. (2014). Value Proposition Design. Hoboken: John Wiley & Sons.
Teixeira, J. G., Patrício, L., Huang, K.-H., Fisk, R. P., Nóbrega, L., & Constantine, L. (2017). The MINDS Method: Integrating Management and Interaction Design Perspectives for Service Design. Journal of Service Research, 20(3), 240-258. https://doi.org/10.1177/1094670516680033
von Walter, B., Jäger, B., Heumann, C., & Kremmel, D. (2023). Customer Education in the Digital Age: Intended and Unintended Effects. Proceedings of the European Marketing Academy Conference, 52nd, (113435). https://proceedings.emac-online.org/pdfs/A2023-113435.pdf
