Forschungsprojekt

Basisanalyse der Berufe in der Elektrobranche

In der Schweiz und weltweit wird mit Hochdruck daran gearbeitet, die Energieversorgung auf nachhaltige, nicht-fossile Energieträger umzustellen. Eine zentrale Stossrichtung dieser Energiewende ist die Elektrifizierung. Eine Studie des Institut WERZ zeigt nun auf, wie sich die Jobprofile der Elektrobranche ändern werden, welche Kompetenzen Elektroplanende, Elektroinstallateure und Gebäudeinformatikerinnen in Zukunft brauchen, und was Verbände und Bildungsinstitutionen diesbezüglich unternehmen sollten.

 

Ausgangslage

Die Zukunft wird noch elektrischer. Denn um die Abkehr von fossilen Brennstoffen zu schaffen, soll Strom (aus erneuerbaren Quellen) auch in den Bereichen Wärme und Verkehr zum bedeutendsten Energieträger werden. Das Stichwort hierzu lautet Sektorkopplung und die dafür notwendigen Technologien sind bereits vorhanden.

Doch neben den technischen Voraussetzungen ist vor allem die Verfügbarkeit von qualifizierten Fachpersonen für die Installation und Wartung dieser Technologien zentral. Für viele der Technologien liegen diese Aufgaben im Verantwortungsbereich der Elektroplanenden, Elektroinstallateuren und -installateurinnen sowie der Fachpersonen der Gebäudeautomation und Gebäudeinformatik. Diese Fachkräfte der Elektrobranche werden somit für die Umsetzung der Energiewende eine Schlüsselrolle spielen.

Dies schlägt sich einerseits im Auftragsvolumen nieder. Schätzungen für die Schweiz gehen dahin, dass alleine der geplante Zubau an PV-Anlagen, Wärmepumpen, Ladestationen und Batteriespeichern einen Personalbedarf von 10'000 zusätzlichen Arbeitskräften generiert (Bryner Hager 2022). Angesichts des bereits bestehenden Fachkräftemangels in der Branche steigt damit die Bedeutung, dass weiterhin genügend Lernende für die Abschlüsse der Elektrobranche rekrutiert werden können und ausgebildete Fachkräfte auf dem Beruf bleiben.

Gleichzeitig müssen diese Fachkräfte für den Einsatz von neuen Technologien auch neue Kompetenzen erwerben. Elektroplanung und Elektroinstallation werden in Zukunft andere Berufe sein, als sie es bisher waren. Traditionelle Arbeiten (Verlegung von Leitungen, Installation von Beleuchtung, Sicherungen, Inbetriebnahme und Schlusskontrolle, etc.) werden ergänzt mit Technologien wie Speicherung, Automatisierung oder Ladestationen. Gebäude werden zu eigentlichen Energiehubs, an welchen Strom produziert, verbraucht und gespeichert wird. Um dabei wirtschaftliche und ökologische Lösungen zu finden, müssen die Technologien aufeinander abgestimmt und Prozesse zentral gesteuert werden.

Die Planungs- und Installationsberufe der Elektrobranche müssen sich also weiterentwickeln, um diesen Ansprüchen gerecht zu werden. Die im Auftrag des Bundesamtes für Energie und EIT.swiss erstellte Basisanalyse bildet hierfür eine Grundlage.

 

Vorgehen

Die Basisanalyse beschreibt 10 Themen und Trends mit Bezug zu Energie, Klima, Umwelt und Ressourcen, welche in Zukunft für die Elektrobranche bedeutend werden. In Bezug auf jedes dieser Themen wird aufgezeigt, welche Kompetenzen die Fachkräfte der Berufsfelder Elektroplanung, Elektroinstallation und Gebäudeinformatik & -automation benötigen. Diese Kompetenzen leiten sich aus einer Literaturrecherche und Interviews mit mehr als 20 Personen aus der Branche ab. Daraus entstand ein umfangreicher Katalog an Leistungszielen und -kriterien, welche im Rahmen der nächsten Revisionen von den Arbeitsgruppen diskutiert, weiterbearbeitet und dann, wo immer möglich, in die Grundlagendokumente integriert werden sollen.

 

Resultate 

Als wichtige neue Kompetenzen für die Elektrobranche wurden dabei unter anderem die folgenden identifiziert:

  • Beraten der Bauherrschaft in Bezug auf die optimale Kombination und Integration von Photovoltaik, Strom-Speicherung, Elektromobilität und Energiemanagement-System – dies im Kontext von neuen rechtlichen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen (dynamische Strompreise, neue Geschäftsmodelle, etc.)
  • Erhöhen der Stromeffizienz im Gebäude, indem bspw. in der Planung die Anforderungen von Kapitel 8.1 der Niederspannungsinstallations-Norm beachtet werden, eine Gebäudeautomation eingeplant wird und der Eigenverbrauch von Gebäudeautomation reduziert wird.
  • Koordination der Fachplanenden von Heizung, Lüftung, Kälte, Licht, etc. – denn damit diese Gewerke mit Hilfe der Gebäudeautomation effizient betrieben werden können, müssen sie von Anfang an entsprechend geplant und umgesetzt werden.
  • Berücksichtigen von Prinzipien der Kreislaufwirtschaft bei der Planung und Installation: Dazu gehören die Wahl von langlebigen und reparierbaren Komponenten, rückbaufähige Installationen, die Ausarbeitung von neuen Geschäftsmodellen (bspw. Lighting-as-a-service) oder die Planung von elektrischen Anlagen, welche eine spätere Änderung der Raumnutzung ermöglichen.

Neben einem umfangreichen Kompetenzkatalog enthält die Basisanalyse auch Empfehlungen zu weiteren Aktionen, welche umgesetzt werden können. Zu den wichtigsten Empfehlungen gehört unter anderem:

  • Abschlüsse im Licht der Energiewende weiterentwickeln

Damit die Elektrobranche aktiv zur Erreichung der energiepolitischen Ziele beitragen kann und für die zukünftigen Herausforderungen bereit ist, muss innerhalb der Branche Konsens darüber bestehen, welche Rollen Elektroplaner, Elektroinstallateurinnen und Gebäudeinformatiker einnehmen sollen. Konzipieren Elektroplanende in Zukunft im Auftrag der Bauherrschaft «ideale Prosumer-Gebäude» - also Gebäude, welche ihr gesamtes Potenzial zur Nutzung und Vermarktung von erneuerbaren Energien ausschöpfen, selbst möglichst wenig Strom verbrauchen und gleichzeitig zu einem stabilen Stromnetz beitragen? Nehmen Gebäudeinformatiker in Zukunft eine Koordinationsrolle zwischen den Fachplanern der HLKS-Systeme ein, damit diese ihre Gewerke so planen, dass die Gebäudeautomation ihr gesamtes Energiespar-Potenzial ausschöpfen kann? Sobald diese Rollen geklärt sind, gilt es mit verschiedenen Massnahmen dazu beizutragen, dass entsprechende Fachkräfte aus- und weitergebildet werden.

 

  • Kommunikation dieser Rollenbilder und Nutzung für das Berufsmarketing

Durch Artikel im EIT.swiss Magazin, der Webseite und anderen Kanälen gilt es der Branche aufzuzeigen, welche Aufgaben in Zukunft auf die Fachkräfte und Unternehmen zukommen – und wie sie sich darauf vorbereiten können. Zudem lassen sich entsprechende Rollenbilder für das Berufsmarketing nutzen – anhand dieser liesse sich nämlich aufzeigen, dass bspw. der Abschluss Elektroinstallateur/in EFZ die Tür zu einem weiten Tätigkeitsfeld mit innovativen Technologien öffnet und beinahe Jobsicherheit garantiert. Die Verbindung dieser neuen Funktionen zu Themen wie Klimaschutz und Energiewende steigert die Attraktivität der Abschlüsse weiter, da sich junge Menschen nachweislich zunehmend für Karrierewege entscheiden, bei welchen Nachhaltigkeitsaspekte eine Bedeutung besitzen (Melzig 2022).

 

  • Praxisrelevante Informationen zu Technologien teilen und Berührungsängste abbauen

Knappe Ressourcen und Unklarheiten darüber, welche Technologie oder welcher Standard in Zukunft bedeutend sein wird, halten Unternehmen bisweilen davon ab, neue Technologien in ihr Portfolio aufzunehmen. EIT.swiss kann dabei mithelfen, solche Hindernisse abzubauen. Dies gelingt beispielsweise, indem praxisrelevante Informationen anhand von Leitfäden, in Datenbanken oder durch organisierte Erfahrungsaustausche mit der Branche geteilt werden.

 

  • Entwicklung eines Labels für Prosumer-Gebäude

Sofern die Bauherrschaft nicht gleichzeitig die spätere Nutzerin eines Gebäudes ist, hat sie aktuell wenig Anreize, die bestehenden Möglichkeiten zur Realisierung eines «idealen Prosumer-Gebäudes» auszuschöpfen. Oft liegt der Fokus einseitig auf den Beschaffungskosten, da die später anfallenden Betriebskosten abgewälzt werden können. Ein Anreiz kann dadurch geschaffen werden, dass solche Gebäude mit einem Label zertifiziert und vermarktet werden.

Zusammenfassend empfiehlt diese Basisanalyse, die Berufe der Elektrobranche mit den wichtigen Kompetenzen zu Energie-, Klima-, Umwelt- und Ressourcenthemen anzureichern. Teilweise ist es sogar notwendig, die bestehenden Berufe «neu zu denken». So fordern die neuen Technologien und insbesondere deren verstärkte Vernetzung neue Arten von Installationen und Fähigkeiten. Der Aufgabenbereich der Elektroinstallation verschiebt sich dabei: weg vom Elektroinstallateur und hin zum ‘Energievernetzenden’ oder Energie-Integrator.

Klar ist: Das Auftragsvolumen in Bezug auf die aufgeführten Technologien und die Bedeutung der energieeffizienten Nutzung von Elektrizität wird in Zukunft wachsen. Die Energiestrategie des Bundes, Gesetze auf Bundes- und Kantonsebene, aber auch einschlägige Normen geben hier eine klare Richtung vor. Diese Entwicklung eröffnet den Berufsleuten neue Geschäftsfelder und spannende Möglichkeiten, sich gemäss den individuellen Interessen zu spezialisieren und eigene Unternehmungen zu gründen. Dies alles vor dem Hintergrund, bei der Transformation zu einer nachhaltigen Energieversorgung mitwirken zu können.

Die grosse Bedeutung der Elektrobranche für den nachhaltigen Umbau lassen sich also ohne Zweifel für ein gewinnbringendes Berufsmarketing nutzen. Wie ein solches aussehen könnte, zeigt aktuell SwissMEM. Auf der Webseite zur Berufsbildung wird potenziellen Lernenden anhand von praktischen Beispielen vor Augen geführt, wie die Berufe der Branche zu Klimaschutz und Energiewende beitragen. Eine ähnliche Intonierung wäre ohne weiteres auch für die Elektrobranche und deren Abschlüsse angebracht. Voraussetzung dafür ist jedoch, dass EIT.swiss die Berufsbilder entsprechend weiterentwickelt. Der erarbeitete Kompetenzkatalog und die empfohlenen Massnahmen aus der Basisanalyse geben dazu Startpunkte.

 

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