Workshops Bodenseetagung 2024

Denkinsel 1: Krisenbewältigung im Rahmen von gesetzlichen Kindes- und Erwachsenenschutzmassnahmen - Möglichkeiten und Grenzen von Beistandspersonen zwischen Selbstbestimmung und Zwangskontext

Krisensituationen sind fast immer eine Ursache für die Errichtung einer Beistandschaft und somit das alltägliche Brot der Beistandspersonen. Platzierungen von Kindern und fürsorgerische Unterbringungen von Erwachsenen zählen zu den einschneidendsten Krisen. Vielmehr sind die Beistandspersonen mit alltäglichen Krisen wie finanzielle Notlagen, Suchterkrankungen, hochstrittige Eltern, Überforderungen allgemeiner Art und vieles mehr konfrontiert. In unserer Denkinsel geht es darum, anhand eines konkreten Beispiels Transparenz und Klärung für KooperationspartnerInnen von Beistandspersonen über die Möglichkeiten und Grenzen zwischen Selbstbestimmung und Zwangskontext zu schaffen. Der Aufgabenkatalog ist dabei im Spannungsfeld zwischen Unterstützung und Kontrolle klar deklariert und die Ressourcen sind begrenzt vorhanden.
 Die Zielgruppe der Denkinsel sind vorwiegend Fachpersonen ausserhalb von Berufsbeistandschaften.

Leitung: Saimen Gähwiler, Kathrin Erismann

Zu den Personen: Saimen Gähwiler, BSC in Sozialer Arbeit, Leiter Berufsbeistandschaft, ist als Bereichsleiter Erwachsenenschutz und Berufsbeistand  tätig.

Kathrin Erismann, BSC in Sozialer Arbeit und MSC in psychosozialer Beratung, hat die Funktionen als Bereichsleiterin Kindesschutz und Berufsbeiständin inne.

Denkinsel 2: Krieg, Flucht, Krise…! Unbegleitete junge geflüchtete Menschen in der Jugendhilfe

Input Roland Berner: Ganz normale junge Leute von weit her? Unbegleitete junge geflüchtete Menschen in der Jugendhilfe 2015 bis 2023
Roland Berner gibt den Teilnehmenden einen Einblick in die grossen Herausforderungen aber auch in das Gelingen einer Sozialen Arbeit mit dieser Zielgruppe. Seine Erfahrungen erschliessen sich aus seiner langjährigen Tätigkeit in der Jugendhilfe mit dieser Zielgruppe auf der Deutschen Seeseite im Bodenseekreis / Baden-Württemberg. Gemeinsam mit den Teilnehmenden sollen im Anschluss an den Beitrag die Erfahrungen und Aussagen diskutiert, reflektiert und auch zwischen spezifischen Schweizer und Deutschen Struktur- und Ausgangsbedingungen vergleichend betrachtet werden. Die aktuelle Situation mit geflüchteten (jungen) Menschen aus der Ukraine wird miteinbezogen.  Die übergeordnete Leitfrage nach den Zielen, Möglichkeiten aber auch den Grenzen einer Sozialen Arbeit in diesem Handlungsfeld rahmt diese Denkinsel.
Moderation: Stephan Schlenker

Leitung: Roland Berner, Stephan Schlenker

Zu den Personen: Roland Berner ist Diplompädagoge sowie CEO der Linzgau Kinder- und Jugendhilfe e.V im Landkreis Bodensee. Diese ist die grösste Jugendhilfeeinrichtung im Landkreis Bodensee mit stationären und teilstationären Angeboten sowie Angeboten in der Jugendarbeit. Roland Berner forschte u.a. 2017 bis 2019 im Rahmen des Praxisforschungsprojektes «Hiergeblieben» zu den Bedürfnissen und zur Verbesserung der Begleitung von unbegleiteten jungen geflüchteten Menschen in der Linzgau Kinder- und Jugendhilfe gemeinsam mit dem Institut für Soziale Arbeit und Räume an der OST.

Stephan Schlenker ist Dozent im Departement Soziale Arbeit an der OST mit u.a. den Schwerpunkten Methoden der Sozialen Arbeit sowie Kinder- und Jugendhilfe. 

Denkinsel 3: Krise, Krieg & Klimakatastrophe – Soziale Arbeit zwischen Allzuständigkeit und professionellem Mandat

Derzeit hat man den Eindruck, dass die Welt zunehmend in einen Krisenmodus gerät, ob auf globaler, lokaler oder individueller Ebene, oder wie es der Titel der Tagung ausdrückt: «Krise als Normalzustand?!». Krisen sind aber per definitionem kein Dauerzustand, wie können sie also «normal» werden? Welche der faktischen und heraufbeschworenen Krisen fallen in den Zuständigkeitsbereich Sozialer Arbeit und wie lässt sich eine Begrenzung vermeintlicher Allzuständigkeit fachlich begründen? Was genau ist gemeint, wenn von Krisen die Rede ist, was unterscheidet z.B. eine Krise von einer Katastrophe? Welche Relevanz und Wirkung haben Krisendiskurse in der Praxis der Sozialen Arbeit, die auf die Lösung und Linderung sozialer Probleme, also auf eine Veränderung zum Besseren durch Handeln zielt? Welche Art von Krisen «kann» Soziale Arbeit bearbeiten und auf welchen gesellschaftlichen Ebenen interveniert sie dabei? Ausgehend von einer Auswahl alltagssprachlicher Assoziationen und theoretischer Kurzdefinitionen wird - dem Bild einer Denkinsel folgend - der Horizont nach Anhaltspunkten für einen gegenstands- und auftragsbezogenen Krisenbegriff Sozialer Arbeit entlang der internationalen Definition Sozialer Arbeit und des Fachverbandes Avenir Social abgesucht. In Verbindung mit den Erfahrungen der Teilnehmenden in ihren jeweiligen Handlungsfeldern möchten wir anschliessend zu einer thesengeleiteten Diskussion einladen, in welchem Verhältnis das professionelle Mandat zum politischen Mandat Sozialer Arbeit in Anbetracht der Ursachen, Thematisierung und Bewältigung von Krisen steht. Dabei soll auch die Text- und Bildsprache der Ankündigung der Bodenseetagung selbstkritisch unter die analytische Lupe genommen werden.

Leitung: Katrin Muckenfuss, Sophie Rudolph

Zu den Personen: Katrin Muckenfuss, Dozentin am ISAL, arbeitet insbesondere zur Theorie-Praxis-Relationierung und Professionsentwicklung Sozialer Arbeit in den Handlungsfeldern Gemeinwesenarbeit und Antidiskriminierung.

Sophie Rudolph, Dozentin, leitet das Fachteam «Lehr- und Lernformen» am Departement Soziale Arbeit. Sie interessiert sich vor allem für Dinge, die sich nicht einfach in eine Schublade stecken lassen und unternimmt deswegen gerne Streifzüge zwischen den Disziplinen. Auf diesem Weg ist sie als Medien- und Kulturwissenschaftlerin zur Sozialen Arbeit gekommen. 

Denkinsel 4: Fachkräftemangel als Chance, Arbeitsbedingungen zu verändern

Fachkräftemangel ist auch in der Sozialen Arbeit eine Realität geworden. Einige Institutionen sind gar gezwungen Leistungen zu streichen. Darunter leiden in erster Linie die Adressat:innen der Sozialen Arbeit. Jedoch tragen auch Fachpersonen die Mehrbelastung. Was sind die Ursachen? Wie beeinflussen Arbeitsbedingungen die Fluktuation und Arbeitszufriedenheit? Welche Handlungsmöglichkeiten haben Soziale Institutionen? Was ist die Rolle des Berufsverbandes? Diese Fragen werden wir im Workshop diskutieren. 

Leitung: Nadia Bisang

Zur Person: Nadia Bisang ist Co-Geschäftsleiterin von AvenirSocial.

Denkinsel 5: Politisches Handeln: Wege zur Stärkung der Sozialen Arbeit in Krisenzeiten

In dieser Denkinsel erkunden wir, wie Fachpersonen der Sozialen Arbeit durch gezieltes fach- und berufspolitisches Handeln in Krisensituationen nicht nur unmittelbar helfen, sondern auch die Bedeutung und Wirkung ihrer Profession stärken können. Durch Fallbeispiele, Diskussionen und Brainstorming werden wir Strategien entwickeln, die über den Einzelfall hinweg auch auf politischer Ebene wirksam sind. Diese Denkinsel bietet Raum für Reflexion, Ideenaustausch und Inspiration, um die Rolle der Sozialen Arbeit in der Gesellschaft zu festigen und weiterzuentwickeln. Ziel ist es über das gemeinsame Lernen voneinander konkrete Ansätze zu finden, wie Fachpersonen der Sozialen Arbeit ihre Stimme effektiv einbringen und die Profession stärken.

Leitung: AvenirSocial Region Ostschweiz
Carole Zellner, Tobias Kindler & Kathrin Amann

Zu den Personen: Die Denkinsel wird von Mitgliedern der Regionalleitung von AvenirSocial Ostschweiz geleitet.

Denkinsel 6: Die Wohnungskrise und ihre sozialen Folgen – Was heisst das für die Soziale Arbeit?

Wohnungskrise, Wohnungsnot, Wohnungsknappheit – das sind Begriffe für ein Problem, welches auch in der Schweiz akut und stark im Diskurs ist. Dabei gelangen vermehrt auch die sozialen Folgen in den Blick: Verdrängung aus der Wohnsiedlung aufgrund von Sanierung oder Ersatzneubau, Verlust nachbarschaftlicher Netzwerke, mangelnde Verfügbarkeit leistbarer Wohnungen, Diskriminierung auf dem Wohnungsmarkt, Wohn- und Obdachlosigkeit und viele mehr. Vor diesem Hintergrund möchten wir mit den Teilnehmenden diskutieren, was die Zuspitzung solcher sozialen Folgen der Wohnungskrise für die Soziale Arbeit bedeutet: Wie begegnet sie diesen Problemen? Wie geht sie mit dem Spannungsfeld von individueller Begleitung und strukturellen Ursachen der Probleme um? Wo liegen allenfalls «blinde Flecken» in der professionellen Auseinandersetzung mit Wohnen?

Leitung: Nicola Hilti, Denis Wizke, Luana Massaro

Zu den Personen: Nicola Hilti, Luana Massaro und Denis Wizke arbeiten am IFSAR Institut für Soziale Arbeit und Räume am Departement Soziale Arbeit der OST – Ostschweizer Fachhochschule.

Nicola Hilti ist Soziologin. Sie forscht und lehrt unter anderem zu Wohnen im Wandel und neuen Wohnformen, Nachbarschaften und Zusammenleben sowie sozialen Aspekten von Raumentwicklung.

Luana Massaro ist Sozialarbeiterin. Nach mehrjähriger Berufserfahrung in der klinischen Sozialarbeit (Psychiatrie) forscht sie nun unter anderem zu Wohnen im Wandel und neuen Wohnformen sowie in Projekten, welche sich mit professionstheoretischen Fragen in der Sozialen Arbeit befassen.

Denis Wizke studierte Raumplanung und war mehrere Jahre in der Planungspraxis tätig. In Forschungs- und Dienstleistungsprojekten widmet er sich sozialräumlichen Themen in der Raumentwicklung.   

Denkinsel 7: Wie rechte Strukturen die Dauerkrise für sich nutzen

Alternative Lernformen, Lebensentwürfe oder Landwirtschaftskonzepte sind nicht nur in progressiven Kreisen populär. Längst sind sie auch am rechten Rand zu finden. Staatsverweigerer, Verschwörungsgläubige, Esoteriker, Massnahmengegnerinnen und Rechtsextreme sind mittlerweile gut vernetzt und sie versuchen den vorpolitischen Raum zu erobern, indem sie Vereine gründen, Magazine publizieren, selbsterklärte Bürgerrechtsbewegungen und parteiähnliche Strukturen aufbauen. Das demokratie- und wissenschaftsfeindliche Grundrauschen wird oft überhört und mit ihrer diffusen Ausstiegs- und Revolutionsromantik sprechen sie auch Menschen aus der Mitte der Gesellschaft an. Welche Strategien nutzen solche Gruppierungen und wie können wir sie erkennen und Gegenstrategien entwickeln?

Leitung: Corinne Riedener

Zur Person: Corinne Riedener ist als Redaktorin beim Magazin Saiten tätig.

Denkinsel 8: Wie Krisen Kinderrechte in die Krise stürzen. Oder vom Umgang mit Kinderrechten in Krisen.

Die Covid-19 Pandemie stellte Politik und Bevölkerung vor bis dahin unvorstellbare Herausforderungen. Noch nie zuvor wurden zum Schutz der Bevölkerung so einschneidende Massnahmen getroffen, mitunter mit massiven Grundrechtseinschränkungen, die sich auch auf die Kinderrechte auswirkten. Darüber hinaus leben wir in Zeiten der Multikrisen. Der Krieg in der Ukraine, die Klimakrise, der Krieg im Gazastreifen oder die Flüchtlingskrise - die Liste ist wohl noch nicht abschliessend. Wir gehen folgenden Fragen nach: Welche kinderrechtlichen Herausforderungen stellen sich im Kontext von Krisen? Wie akzentuieren sich vorbestehende Probleme? Was ist meine Rolle als Fachperson, in Krisenzeiten die Kinderrechte zu achten? Und wo sind meine persönlichen und fachlichen Grenzen? 

Leitung: Nicole Hinder

Zur Person: Nicole Hinder ist Bereichsleiterin Child Rights Advocacy bei UNICEF Schweiz und Liechtenstein. Der Bereich beobachtet die Umsetzung der Kinderrechtskonvention in der Schweiz und in Liechtenstein und adressiert Lücken und Handlungsfelder.

Denkinsel 9: Demokratie: Krise? Oder doch Normalität?

Wer über Demokratie spricht, kann über Krisen nicht schweigen. Die Rede über die Krise der Demokratie ist so alt wie Platon. Es gibt kaum ein Wort, das in der Politik und den Sozialwissenschaften mehr gebraucht wird. Die Schweiz gilt als eine der ältesten Demokratien der Welt, doch zu dieser Geschichte zählt auch, dass immer wieder Teile der Bevölkerung von der Demokratie ausgeschlossen waren oder sind. Als Demokratie stehen wir unter hohem Legitimitätsdruck, wenn fehlende Partizipation und Repräsentation Realität sind. Und was heisst das nun für die Soziale Arbeit? 

Sozialarbeitende sind in ihrer Handlungspraxis stets mit den Strukturen der Politik konfrontiert und herausgefordert im Spannungsfeld des Tripelmandates zu agieren. Dabei ist kritisches Denken notwendig, um eine Gesellschaft weiterzuentwickeln und die Forschung voranzutreiben. 

Leitung: Tatiana Pinto Cardoso, Co-Präsidentin INES Institut neue Schweiz, MSc. Soziale Arbeit

Zur Person:  Tatiana Pinto Cardoso arbeitet bei der Stadt St.Galler Dienststelle für Gesellschaftsfragen, ist Fachspezialistin für Familie, Kinder und Gender und ist zudem als Lehrbeauftragte der OST zu den Themen Intersektionalität, Migration, Diskriminierungen allg. Fokus Rassismus tätig.