Medienmitteilungen der OST

Kinderrechte-Studie 2021: «Aufschlussreich und besorgniserregend»

Medienmitteilung vom 19. Mai 2021

Im Rahmen des dritten Berichterstattungsverfahren zur Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention hat UNICEF Schweiz und Liechtenstein gemeinsam mit dem Institut für Soziale Arbeit und Räume (IFSAR) der Ostschweizer Fachhochschule (OST) über 1700 Kinder und Jugendliche zwischen 9 und 17 Jahren befragt. Die Resultate wurden in einer umfassenden Studie zusammengefasst. Sie zeigt einige positive Entwicklungen auf, weist jedoch auch in allen Bereichen auf Lücken in der Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention in der Schweiz und Liechtenstein hin, insbesondere bezüglich Armut, Gewalt, Diskriminierung und Chancengleichheit.

Die Schweiz hat die Kinderrechtskonvention der Vereinten Nationen 1997 und Liechtenstein 1995 ratifiziert. Damit haben sich die Länder verpflichtet, dem UN-Kinderrechtsausschuss regelmässig über die Umsetzung der Kinderrechte zu rapportieren. Dieses aktuelle Staatenberichtsverfahren hat UNICEF zum Anlass genommen und zusammen mit dem Institut für Soziale Arbeit und Räume (IFSAR) der Ostschweizer Fachhochschule Kinder und Jugendliche im Alter von 9 bis 17 Jahren zu den Kinderrechten in den Lebensbereichen Familie, Schule, Freizeit und Wohnort umfassend befragt. An der Umfrage haben über 1700 Kinder und Jugendliche in der Schweiz (1428) und in Liechtenstein (287) aus sämtlichen Sprachregionen teilgenommen.

Kinderarmut nach wie vor ein Thema
«Die Studie ist aufschlussreich und besorgniserregend zugleich», sagt Bettina Junker, Geschäftsleiterin UNICEF Schweiz und Liechtenstein. Besonders auffallend waren die Antworten der armutsbetroffenen Kinder und Jugendlichen. «Die Daten weisen mitunter darauf hin, dass Kinder und Jugendliche regelmässig Gewalt und Diskriminierung erfahren und, dass sozioökonomisch benachteiligte Kinder weniger Möglichkeiten haben, ihre Rechte wahrzunehmen. Kinderarmut stellt in der Schweiz und in Liechtenstein nach wie vor ein zentrales gesellschaftliches Thema dar», so Bettina Junker. Ziel müsse es sein, die UN-Kinderechtskonvention umfassend umzusetzen und vor allem die vulnerablen Kinder und Jugendlichen in den Fokus zu nehmen.

Viele Kinder erleben in ihrem Alltag physische und psychische Gewalt
So haben Kinder zwar laut Kinderrechtskonvention das Recht auf Schutz und gewaltfreies Aufwachsen. Jedoch erfahren rund 32 Prozent physische und sogar 43 Prozent psychische Gewalt von Mitschülerinnen und -schülern sowie von Eltern (physisch 29 Prozent / psychisch 24 Prozent) oder Lehrpersonen (physisch 3 Prozent / psychisch 12 Prozent). Auch beim Recht auf Mitsprache und Beteiligung hapert es. Mehr als die Hälfte der Kinder und Jugendlichen geben an, dass Lehrerinnen und Lehrer ohne Mitbestimmung Entscheidungen treffen. «Das hat uns überrascht, weil in den Lehrplänen Meinungsbildung und Partizipation explizit verankert ist», sagt die IFSAR-Studienleiterin Mandy Falkenreck.

Rund ein Drittel der Befragten sagt, dass sie unter der Woche nicht ausreichend Zeit haben, um sich zu erholen oder zu entspannen. Jedes fünfte Kind wünscht sich Freizeit- und Spielmöglichkeiten in der Nähe seines Wohnortes.

Forderung: Mehr Mitbestimmung
Mit offenen Fragen wurden die Kinder und Jugendlichen abschliessend befragt, welche Verbesserungswünsche und -vorschläge sie haben. «Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Kinder und Jugendlichen drei Themen zentral umtreiben», so Falkenreck: Kinder und Jugendliche wünschen sich mehr politische Mitbestimmung, sie wünschen sich Veränderungen in der Schule (weniger Leistungsdruck, weniger Mobbing und Gewalt, mehr Mitbestimmung) und sie möchten mehr Plätze, an denen sie sich vor allem in der Freizeit aufhalten dürfen.

Der ergänzende Bericht, der auf der gemeinsamen Studie basiert, wurde von UNICEF Schweiz und Liechtenstein fristgerecht bis am 1. Mai 2021 beim UN-Kinderrechtsausschuss in Genf eingereicht.


Hier finden Sie weitere Infos zur Studie.