Klimakrise: Hauptursache für Menschenhandel

Medienmitteilung vom 16. Oktober 2023

Die Klimaerhitzung wird in den kommenden Jahrzehnten weltweit Hunderte Millionen Menschen dazu zwingen, ihre Heimat zu verlassen. Mit der Klimaflucht wird auch der Menschenhandel zunehmen, so das Fazit einer öffentlichen Veranstaltung, die im Rahmen der Aktionswoche gegen Menschenhandel in St.Gallen stattfand. Organisiert wurde die Veranstaltung von der Koordinationsstelle für häusliche Gewalt und Menschenhandel des Kantons St.Gallen in Zusammenarbeit mit dem Departement Soziale Arbeit der OST – Ostschweizer Fachhochschule und der Internationalen Organisation für Migration (IOM).

Besonders Kinder und Jugendliche sind von der Klimaerhitzung betroffen und müssen fliehen. Bild: UN Photo/Eskinder Debebe

Die Zahlen sind eindrücklich: Das in Wien ansässige Büro der Vereinten Nationen für Drogen- und Verbrechensbekämpfung (UNODC) registrierte im Jahr 2021 rund 24 Millionen Menschen, die durch klimabedingte Katastrophen wie Dürren und Überflutungen aus ihrer Heimatregion vertrieben wurden. Ein Jahr später – 2022 – sind es bereits 32,6 Millionen Menschen. «Klimawandel, Konflikte, Armut, Ernährungssicherheit und Vertreibung überschneiden sich zunehmend, so dass immer mehr Menschen auf der Suche nach Sicherheit fliehen müssen», heisst es in einem Bericht. Besonders betroffen sind dabei Kinder und Jugendliche. So kommt eine weitere, kürzlich veröffentlichte UNO-Studie zum Schluss, dass zwischen 2016 und 2021 rund 43,1 Millionen Minderjährige wegen extremer Wetterbedingungen fliehen mussten.

Schieflage zwischen globalem Norden und globalem Süden

«Die Klimaerwärmung ist Realität. Der globale Norden trägt dafür die Verantwortung, der globale Süden muss die Folgelasten tragen. Da kommt es zur Schieflage», sagte Regierungsrat Fredy Fässler, Sicherheits- und Justizdirektor des Kantons St.Gallen in der Eröffnungsrede zur Veranstaltung «Klimawandel-Migration-Menschenhandel», die von der Koordinationsstelle für häusliche Gewalt und Menschenhandel des Kantons St.Gallen in Zusammenarbeit mit dem Departement Soziale Arbeit der OST – Ostschweizer Fachhochschule und der Internationalen Organisation für Migration organisiert wurde. Der Zusammenhang von Klimawandel, Migration und Menschenhandel könne nicht von der Hand gewiesen werden. Auch im Kanton St.Gallen sei Menschenhandel «traurige Realität», so Fässler.

Mehrheit der Betroffenen ist weiblich

«Der Klimawandel erhöht die Anfälligkeit für Menschenhandel: Naturkatastrophenbedingte Vertreibungen bedrohen Menschen zusätzlich zu Konflikten an immer mehr Orten auf der Welt und zerstören ihre Lebensgrundlagen», ergänzte Fabienne Reber, Projektkoordinatorin im Bereich Menschenhandel bei der Internationalen Organisation für Migration (IOM). Das IOM gehört zum System der Vereinten Nationen und ist die führende zwischenstaatliche Organisation zur Förderung einer humanen und geordneten Migration zum Wohle aller; seit 1994 führt das IOM auch ein Büro in der Schweiz. Gemäss Reber nehme Menschenhandel auch in Europa zu. Die Betroffenen seien zu 68 Prozent weiblich, aber 77 Prozent der Menschenhändler seien Männer.

Mehr Ethik und Unternehmensverantwortung

Ein zweiter Themenblock beleuchtete das Thema «Klimawandel-Migration-Menschenhandel» aus Sicht der Ethik und der Unternehmensverantwortung. «Klimawandel ist vor allem eine soziale Frage, die sich global, regional und lokal auswirkt», sagte Nina Stern, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Departement Soziale Arbeit der OST – Ostschweizer Fachhochschule. «Deshalb haben wir kein Recht, vor der durch uns ausgelösten Klimakrise zu kapitulieren», so Stern.

Sibylle Baumgartner, Direktorin und Mitbegründerin des Beratungsbüros focusright GmbH, zeigt Wege auf, wie Unternehmen Verantwortung wahrnehmen können. «Es gehört zur menschenrechtlichen Sorgfaltsprüfung, dass Unternehmen über die ganze Wertschöpfungskette hinweg – die vorgelagerte und die nachgelagerte – Verantwortung beziehen», so die Unternehmensberaterin.

Menschenhandel als Realität in der Ostschweiz

In der abschliessend Podiumsdiskussion zeigten Monika Kohler, Sozialarbeiterin der Opferhilfe St.Gallen-Appenzell, und Nivalda Still von der IG Migration der Gewerkschaft Unia auf, dass auch in der Ostschweiz Fälle von Menschenhandel bekannt seien. «Viele Migranten haben keine Ausweispapiere, sie sind Sans Papiers. Sie wurden oft mir falschen Versprechen hergelockt, bekommen monatelang keinen Lohn und werden zur Weiterarbeit erpresst», sagte die Gewerkschafterin. Und Sozialarbeiterin Monika Kohler ergänzte, dass viele Migranten mit Schulden in die Schweiz flüchten und dann leicht Opfer von Menschenhändlern werden. Abschliessend plädierte André Podleisek, Professor für Nachhaltigkeit und Qualität an der OST, für eine «menschenwürdige Arbeit»: «Wir müssen unsere Geschäftsmodelle hinterfragen. Ungerechte, umweltschädliche und menschenverachtende Bedingungen können nicht mit niedrigeren Kosten entschuldigt werden. Wir brauchen verbindliche Mindeststandards und faire Preise.»

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