Pünktliche Züge im Vereinatunnel dank Natron, Lichtbögen und Walnussschalen

Medienmitteilung vom 31. Mai 2023

Im Winter verlangt das Einhalten der Fahrpläne Höchstleistungen von der Rhätischen Bahn (RhB). Tausende schmutzige, nasse Fahrzeuge im Autoverlad durch den Vereinatunnel machen die Schienen glitschig. Die Züge können häufig nicht so schnell beschleunigen, wie es die Taktfahrpläne erfordern. In einem gemeinsamen Entwicklungsprojekt hat die RhB 11 Studierendenteams der OST damit betraut, eine Lösung für das Problem zu finden. Ende Mai haben die Studierende ihre Prototypen vorgestellt. Die RhB ist begeistert und arbeitet nun auf der Basis der einzigartigen Konzepte an einer eigenen Lösung.

Die Rhätische Bahn (RhB) befördert via Autoverlad jährlich rund 500‘000 Fahrzeuge durch den Vereinatunnel. Im Winter wird die RhB bei Neuschnee Opfer ihres eigenen Erfolgs: Schmutz und Salz von den Strassenfahrzeugen verwandeln sich oft in einen schmierige Film auf den Schienen. Dadurch geht viel Haftung verloren und die Lokomotiven können dann nicht mehr stark genug beschleunigen, was zu Verspätungen im Fahrplan und damit vor allem an Neuschneetagen zu Verzögerungen im Personen-, Güter- und Autoverlade-Verkehr führt.

11 Studierendenteams der OST haben sich deshalb dieses Problems während zwei Semestern im grossen Entwicklungsprojekt des Studiengangs Maschinentechnik|Innovation angenommen. Ende Mai haben sie ihre Ergebnisse präsentiert. RhB-CEO Renato Fasciati zeigte sich danach «tief beeindruckt, vom Ideenreichtum genauso wie vom persönlichen Engagement der Studierenden». Die begeisterte Kreativität der Studierendenteams und die Erfahrung des RhB-Entwicklungsteams hätten sich optimal ergänzt. «Mich hat wirklich überrascht, welche Lösungsansätze uns heute präsentiert wurden», so Fasciati.

«Konzepte, die wir gar nicht auf dem Schirm hatten»

Tatsächlich haben die Studierenden bei der Entwicklung der Lösungen so tief in die technische Trickkiste gegriffen, dass auch Thomas Baumgartner, Projektleiter Rollmaterial bei der RhB sagte: «Wir haben Konzepte gesehen, die wir gar nicht auf dem Schirm hatten. Ein paar Favoriten werden wir nun intern analysieren und entscheiden, welchen Lösungsansatz wir weiterentwickeln werden.»

Die Spanne an Lösungsvorschlägen reicht von vermeintlich naheliegenden Ideen bis zu völlig ausgefallenen Konzepten, die nach Science Fiction klingen. Einige Studierendenteams entwickelten Prototypen, die die Schienen reinigen sollten. In der Testnacht im Mai und im Labor der OST schossen sie mit ihren Prototypen zerstossenes Eis, Walnussschalengranulat oder Maisschrot auf die Schienen, um den Schmierfilm zu entfernen – oder sie pressten einen selbst entwickelten Natronblock oder einen eigens konstruierten Reinigungs-Bremsblock darauf. Andere Teams konzentrierten sich auf die Metallräder der Lokomotive. Mit Lichtbögen wurden Profile in die sonst glatten Räder graviert oder mit Hartmetallkörnern eingepresst. Wieder andere Teams entwickelten zusätzliche Antriebe, welche die Lok unterstützen. Kurz: Die Studierenden haben in einer regnerischen Testnacht auf dem RhB-Netz mit viel Kreativität und Engagement alles eingesetzt, was sie in den ersten vier Semestern an technischen Methoden und Konzepten gelernt haben.

Als Dank winkt den Studierenden neben der bestandenen Prüfungen eine Einladung der RhB zu einer Feier im September. «Ohne Ihren grossen Einsatz hätten wir heute nicht so viele Ideen für eine nachhaltige Lösung im Vereinatunnel», so RhB-Projektleiter Martin Moser. Auch der Studiengangleiter der OST, Hanspeter Keel, zieht ein positives Fazit: «Solche spannenden Aufgabenstellungen und einzigartige Einblicke in die Industrie machen das Studium zu etwas Besonderem. Es ist schön zu sehen, wenn sich die Studierenden nicht nur über Erfolge im Studium, sondern auch über die Anerkennung von Auftraggebern freuen können.»

Wie lange es nun dauern wird, die entwickelten Lösungsansätze in den regulären Betrieb einzuflechten, ist zwar noch offen. RhB-CEO Fasciati zeigt sich jedoch «zuversichtlich, dass die RhB daraus eine Lösung entwickeln können, um den Betrieb im Vereinatunnel in den nächsten Jahren stabiler sicherzustellen.»

Studierende präsentieren ihren Eisschleuder-Reinigungs-Prototyp vor dem CEO der Rhätischen Bahn Renato Fasciati (rechts) und Studiengangleiter Maschinentechnik|Innovation Hanspeter Keel (links)
Ein Schienenstück nach der Reinigung mit Natron unter UV-Licht.
Ein Team presst mit Hartmetallsplittern ein Profil in die Metallreifen der Loks.
Ein Prototyp, der ein Antriebskonzept mit einer zusätzlichen Schiene vorstellt.
Der Schmierfilm im Vereinatunnel, der den Loks das Beschleunigen schwer macht.
In einer verregneten Nacht im Mai wird der Eisschleuder-Prototyp auf dem Schienennetz der RhB getestet.
Eine Lok, viele Studierende und viele Prototypen: Die Testnacht im Mai auf dem Schienennetz der RhB.
Nach der Reinigung wird die Schiene untersucht.
Ein Teststand, der die Schienenreinigung mit Walnusschalengranulat überprüft.
Eine Schiene nach der Reinigung mit Xanthan unter UV-Licht.