Wie das Vergessen die Lebenswelt verändert

Medienmitteilung vom 2. März 2022

Menschen mit Demenz verbringen den Grossteil des Tages ohne Betreuung und Begegnung, meist auch ohne Aktivität. Das zeigen verschiedene Untersuchungen. Wie aber erleben sie diesen Alltag ohne Betreuung und Begegnungen? Auf solche Fragen wollen das Institut für Angewandte Pflegewissenschaft und das Institut für Altersforschung der OST – Ostschweizer Fachhochschule Antworten finden und daraus Handlungsoptionen für das Gesundheitswesen ableiten.

In der Schweiz leben nach Schätzungen von Alzheimer Schweiz 147'000 Menschen mit Demenz. Jedes Jahr kommen 31'000 Neuerkrankungen hinzu. Zu einem grossen Teil sind Menschen mit Demenz bereits im fortgeschrittenen Alter. Viele sind auf Pflege und Betreuung angewiesen. Denn eine Demenzerkrankung hat Einfluss auf viele Lebensbereich – unter anderem fällt es Menschen mit Demenz zusehends schwerer selbst Aktivitäten zu initiieren und ihren Alltag zu gestalten.

In rund der Hälfte der Schweizer Kantone wurden in den letzten Jahren «Demenzstrategien» verabschiedet. Diese halten fest, welche Betreuungs- und Beratungsangebote bereits bestehen und welche Massnahmen noch geschaffen werden müssen. Doch auf die Frage, wie demenzkranke Menschen die Situation selbst erfahren und erleben, wie sie ihren Alltag gestalten, gehen die kantonalen «Demenzstrategien» nicht ein. «Dabei weiss man: Menschen mit Demenz verbringen den Grossteil des Tages ohne Betreuung und ohne Begegnungen mit anderen Menschen – meist auch ohne Aktivität», sagt Thomas Beer, Professor am Departement Gesundheit der OST – Ostschweizer Fachhochschule. Dies sei durch zahlreiche wissenschaftliche Untersuchungen belegt. «Es gibt bis jetzt aber keine wissenschaftliche Auseinandersetzung mit der Frage, wie Menschen mit Demenz diesen betreuungs- und begegnungsfreien Alltag gestalten.»

Hohe Relevanz, um Lebenswelten zu verstehen

Auf solche Fragen wollen das Institut für Angewandte Pflegewissenschaft und das Institut für Altersforschung der OST – Ostschweizer Fachhochschule Antworten finden. Das Team ist interdisziplinär zusammengesetzt: Forschende aus der Pflegewissenschaft, aus Gerontologie, Soziologie, Psychologie und Ethnografie nehmen gemeinsam den Alltag von Menschen mit Demenz unter die Lupe. Befragt und beobachtet werden die betroffenen Menschen selbst, aber auch die Perspektive von rund 400 Angehörigen und Pflegenden soll erfasst werden. Um Vergleiche zu ermöglichen, wird die Untersuchung mit Forschungspartnern in der Schweiz und in Deutschland durchgeführt. Für die Gesundheitsfachpersonen sei solches Wissen von hoher Relevanz, «um adäquate Strategien im Umgang mit betreuungsfreier Zeit entwickeln zu können», so Beer, «damit leisten wir einen Beitrag zur Sichtbarmachung der Lebenswelten von Menschen mit Demenz».

Die Studie wird während drei Jahren vom Schweizerischen Nationalfonds (SNF) und der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) finanziert. Mitbeteiligt sind die Universität Genf, die Hochschule Fulda und die Hochschule Furtwangen.

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