VegEye findet und kontrolliert invasive Neophyten aus der Luft

Viele Neophyten, die den Gärtnerinnen und Gärtnern einst als schöne oder nützliche Ergänzung galten, wurden inzwischen zu einer Bedrohung des einheimischen Ökosystems. Ihre Überwachung und Bekämpfung muss für einen effizienten Einsatz auch an wenig zugänglichen Orten gelingen. Mit Hilfe von Drohnen und Spezialkameras können Ökologinnen und Ökologen solche Orte gezielt aufspüren und bewerten.

Unter den Pflanzen, die in der Schweiz wachsen und gedeihen, gibt es zwischen 500 und 600 Neophyten, also Arten, die aus völlig anderen biogeografischen Gebieten stammen. Fast 60 davon gelten aktuell als invasiv bzw. potenziell invasiv. Das bedeutet, dass sie sich mangels natürlicher Feinde schnell ausbreiten und einheimische Flora verdrängen. Gleichzeitig bieten sie einheimischen Tieren wenig bis keine Alternative als Futterquelle, Schutz- oder Nistplatz. Einige sind gefährlich für die Gesundheit, andere können Bauten oder den Hochwasserschutz beeinträchtigen. Daher ist es wichtig, vor allem die Wildbestände unter Kontrolle zu halten bzw. zu eliminieren.

Die häufigsten invasiven Neophyten der Schweiz sind die Kanadische sowie die Spätblühende Goldrute (Solidago canadensis und Solidago gigantea). Die Pflanzen verbreiten sich mit Geschwindigkeiten bis zu 9102 km pro Jahr und treffen in der Schweiz auf keine Schädlinge. Die Goldruten haben sich vor allem an ursprünglich artenreichen Riedstandorten ausgebreitet. Besonders in Naturschutzgebieten werden die Goldruten daher intensiv bekämpft.

Die Herausforderung: Kleine Bestände vor der Blüte rechtzeitig entdecken

Da die Bekämpfung zeitaufwändig und teuer ist, sollten bereits kleine Bestände identifiziert werden können. Damit lassen sich Kosten senken und der Aufwand vereinfachen. Zu diesem Zweck müssen einerseits Bestände der Goldrute aufgespürt werden, bevor sie blühen und Samen ausbilden können. Andererseits müssen schwer zugängliche Stellen wie Hochstaudenriede überwacht werden, was sich in der Praxis als sehr schwierig erweist. Das automatisierte Erkennen von Goldrutenbeständen aus der Luft mittels Drohnen könnte eine Methode sein, um die Bestände schnell abschätzen zu können. Satellitenaufnahmen sind für kleinflächige Beobachtungen zu schlecht aufgelöst.

Die Lösung: kombinierte Bildanalyse aus mehreren Spektralbändern

Am ILF Institut für Landschaft und Freiraum an der OST – Ostschweizer Fachhochschule in Rapperswil wurden unter Leitung von Prof. Dr. Jasmin Joshi die Voraussetzungen für solch eine Drohnenüberwachung mit dem Projekt «VegEye» geschaffen. Zielgebiete waren das Kaltbrunner Riet sowie die Nussbaumerseen. Als Goldruten-freie Referenz diente die Ufenau im Zürichsee.

Die Spätblühende Goldrute in einer Riedwiese.

Grundlage einer verlässlichen Bildauswertung ist eine präzise Zuordnung eines jeden Fotos zu den exakten GPS-Koordinaten. Mit Hilfe dieses Geotagging ist im Anschluss an einen Überwachungsflug die Erstellung eines so genannten Orthomosaiks sowie eines digitalen Oberflächenmodells DOM möglich. Die Orthomosaike besitzen eine sehr hohe Auflösung von 2 bis 6 cm. Ein zweiter wichtiger Faktor ist die Bewertung der einfallenden Strahlung in die Kamera. Dafür müssen für jeden Flug die Wetterbedingungen sowie die Flugzeiten aufgezeichnet werden, denn die Bildqualität wird durch unterschiedliche Faktoren wie Einfallswinkel der Sonne, Bewölkung oder Dunst beeinflusst. Hinzukommen Faktoren wie die Belichtungsdaten der Kamera selbst. Damit die Bilder später vergleichbar sind, müssen anhand solcher Daten umfangreiche atmosphärische Korrekturen vorgenommen werden.

Unterscheidung der Goldrute von anderen Pflanzen

In einem weiteren Auswertungsschritt grenzt die Bildbearbeitung Bereiche wie Wasserflächen aus, die für die spätere Analyse irrelevant sind. Dafür wird die Überlagerung von zwei oder mehreren Spektralbändern genutzt. Bäume werden über das digitale Oberflächenmodell identifiziert. Die Identifizierung der Goldrute gelingt über die Kombination der RGB- und der multispektralen Aufnahmen. In einer RGB-Analyse allein ähnelt der Neophyt zu sehr anderen nichtblühenden Pflanzen, vor allem dem Schilf. Die kombinierte Bildanalyse hingegen führt zu einer sehr präzisen Klassifizierung und zeigt, dass das Kaltbrunner Riet zu 10% mit der Spätblühenden Goldrute besetzt ist.

Mit Hilfe eines Maximum-Likelihood-Algorithmus wurde die Fehlerwahrscheinlichkeit dieser Klassifizierung berechnet. Der Algorithmus berechnet dabei die Wahrscheinlichkeit der korrekten Kategoriezugehörigkeit eines jeden einzelnen Pixels in den Flugbildern. Das Projekt VegEye wird künftig mit Deep-Learning-Ansätzen ergänzt, damit zum Einen grössere Datenmengen bearbeitet werden können und zum Anderen komplexe Berechnungen automatisiert möglich sind. Damit liesse sich VegEye zudem zügiger auf die Beobachtung anderer Neophyten umstellen.