Forschungsprojekt

Smarter Kehrsaugroboter für grosse Industriehallen

Roboter-Staubsauger sind eine willkommene Haushaltshilfe. Für grosse Industriehallen sind aktuelle Modelle jedoch zu wenig leistungsfähig. Deshalb entwickelt das Ostschweizer Start-up Kemaro zusammen mit der HSR einen vollautonomen Kehrmaschinen-Roboter, der auch mit 10 000 Quadratmetern Arbeitsfläche und grobem Schmutz zurechtkommt.

Für gewöhnlichen Hausstaub in den eigenen vier Wänden reichen aktuelle Roboter Staubsauger aus. Wenn der Boden jedoch Tausende Quadratmeter gross ist und von Paletten-Splittern, grobem Industriestaub oder Verpackungsresten befreit werden soll, stossen handelsübliche Modelle an ihre Grenzen.

Marktlücke schliessen

Diese Lücke will das Ostschweizer Start-up Kemaro mit seinem weltweit ersten vollautomatisierten Kehrsaug-Roboter Kemaro-800 schliessen. Mit seinen zwei grossen, rotierenden Kehrbesen und einem nicht sehr zimperlichen «Magen» ist der Roboter vor allem für den industriellen Einsatz konzipiert und schluckt fast jeden Schmutz, der in Industriehallen oder Hochregallagern zu finden ist. Für die unfallfreie Navigation durch enge Gänge und verwinkelte Räume oder unter Regalen und Maschinen hindurch ist der Roboter mit modernster Sensortechnik ausgerüstet: 3D Kameras, Laserentfernungsmesser, Infrarot- und Ultraschallsensoren tasten ständig die Umgebung ab. Damit der smarte Staubsauger diese ganzen Sensoren für eine effiziente Routenplanung nutzen kann, arbeitet Kemaro mit Prof. Dr. Farhad Mehta vom IFS Institut für Software der HSR zusammen. In enger Abstimmung wurde das Gehirn des Roboters entwickelt – die Algorithmen, die es ermöglichen, ohne Kollisionen auch mehrere tausend Quadratmeter am Stück zu reinigen.

Feld für Feld

Warum so ein Gehirn nötig ist, zeigt der Vergleich mit aktuellen Roboter Staubsaugern. Vor allem günstige Modelle arbeiten häufig nach dem Zufallsprinzip: Sie fahren von einem Hindernis zum nächsten und wechseln kurz vor jeder Kollision völlig willkürlich die Richtung. Irgendwann ist also per Zufall jede Fläche im Raum gereinigt. In einer grossen Industriehalle reicht das Zufallsprinzip nicht aus. Die Fläche ist zu gross und die Gefahr besteht, dass das Gerät plötzlich ohne Strom weit entfernt von der Ladestation stehenbleibt. Deshalb forschte HSR Professor Farhad Mehta an einem passenden Algorithmenset inklusive künstlicher Intelligenz für den Kemaro-800. «Die Herausforderung war vor allem, ein Verfahren zu finden, das auch sehr grosse Flächen mit vielen verschieden geformten Hindernissen planmässig und effizient reinigen kann», sagt Mehta. Die Lösung lieferte ein Rastersystem. Damit erstellt sich der Sauger selbst eine Karte der bereits gereinigten Flächen und navigiert systematisch zu noch nicht gereinigten Bereichen.

Jederzeit orientiert

Das Rastersystem erfüllt auch noch eine weitere Anforderung: «Der Roboter muss jederzeit wissen, wo er sich befindet, und sich auch in einem bisher unbekannten Raum schnell orientieren und den Reinigungsauftrag erfüllen können», sagt Thomas Oberholzer, einer der drei Kemaro-Gründer. Bei einem Testlauf vor Ort im HSR Forschungszentrum funktionierte das bereits sehr gut. Während eines kurzen Gesprächs hat der Roboter fast unbemerkt, weil leise, das halbe Kellergeschoss systematisch gereinigt. Einzig bei einer Glastür musste sich der Roboter kurz neu orientieren. «Wir arbeiten noch an den letzten Herausforderungen, eine davon ist das Erkennen von durchsichtigen Hindernissen», sagt Oberholzer. Beschädigen konnte der Roboter trotz Glaskollision nichts – bei maximal 5 Kilogramm Druck auf die Kunststoffgehäuse der Rotier-Besen wechselte der Roboter die Richtung und speicherte die Glastür als Hindernis ab.

Nächtliche Reinigungskraft

Das typische Anwendungsszenario für seinen Roboter beschreibt Oberholzer so: Ein Industriebetrieb mit grossflächigen Hallen will vor allem ausserhalb der Betriebszeiten und ohne Personal grosse Flächen reinigen. Durch die eingesparten Personalkosten, rechnet Oberholzer vor, sind die Anschaffungskosten von rund 23 000 Franken bereits nach wenigen Monaten vollständig amortisiert. Aktuell laufen noch abschliessende Tests, doch spätestens im zweiten Quartal 2018 will Kemaro die ersten Reinigungsroboter ausliefern. Mit der ersten Serie zielt das Jungunternehmen vor allem auf Logistik- und Produktionsbetriebe mit grossen Hallen. Sobald der Roboter sich dort bewährt hat, könnte sich Oberholzer auch kleinere KMU-Betriebe als Kunden vorstellen: «Heute lassen viele Handwerksbetriebe jeden Tag ihre Fachleute kurz vor Feierabend die Werkstätten reinigen. Künftig könnte das einer unserer Roboter über Nacht machen, damit sich die Fachleute während der Arbeitszeit auf ihre Hauptaufgaben konzentrieren können.» Aktuell werden an der HSR bereits die nächsten Verbesserungen für den Roboter entwickelt. So soll es zum Beispiel möglich werden, die Eignung von Gebäuden für eine automatisierte Reinigung in einer simulierten Reinigung anhand der digitalen Gebäudegrundrisse zu testen. Mit diesen Simulationen will Kemaro die Navigationsalgorithmen schnell an verschiedenste Arbeitsumgebungen anpassen können, ohne langwierige Testphasen vor Ort. Zudem arbeitet Kemaro derzeit an einer automatischen Entladestation, die in die Akkuladestation integriert wird. So könnte der Roboter das bisher manuelle Leeren des Schmutzbehälters selbst erledigen und dadurch praktisch permanent reinigen.

Der Kemaro-800 ist das erste Produkt des jungen Ostschweizer Start-ups. Neben den beiden grossen Kehrbesen fällt vor allem die ausgeprägte Sensorik in der Front auf.
Der Kemaro-800 ist das erste Produkt des jungen Ostschweizer Start-ups. Neben den beiden grossen Kehrbesen fällt vor allem die ausgeprägte Sensorik in der Front auf.
Die Kemaro-Gründer (v.l.) Martin Gadient, Thomas Oberholzer und Armin Koller.
Die Kemaro-Gründer (v.l.) Martin Gadient, Thomas Oberholzer und Armin Koller.