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VIRAS-Einkaufswagen mit weissem Blindenstock

Forschungsprojekt

VIRAS: Barrierefreies Einkaufen

Das ILT Institute for Lab Automation and Mechatronics der OST entwickelt in enger Kooperation mit Schweizer Blindenverbänden einen autonomen Einkaufswagen für blinde und sehbehinderte Menschen. VIRAS navigiert sie durch das Geschäft und hilft, das gewünschte Produkt im Regal zu erkennen. Der Benutzerkreis von VIRAS soll zudem erweitert werden, da auch ältere Menschen vom autonomen Einkaufswagen profitieren könnten.

Barrierefrei einkaufen mit VIRAS: Autonomer Einkaufswagen für blinde und sehbehinderte Menschen

Selbständig einzukaufen ist ein grosses Bedürfnis von blinden und sehbeeinträchtigten Menschen. Mit VIRAS entwickelt das ILT Institut for Lab Automation and Mechatronics der OST in enger Zusammenarbeit mit vier Schweizer Blindenverbänden ein technisches Assistenzsystem, das sehbeeinträchtigten Kundinnen und Kunden das eigenständige Einkaufen im Supermarkt ermöglicht. VIRAS steht dabei für Visually Impaired Robot-Assisted Shopping: Entwickelt wird ein selbstfahrender Einkaufswagen, der die Betroffenen durch das Geschäft navigiert und sie zu den gewünschten Produkten führt. 


Grosses Interesse an technischer Unterstützung

Zur Bedarfsklärung wurde vom ILT eine deutschland- und schweizweite Umfrage bei verschiedenen Blindenverbänden durchgeführt. Das Ergebnis zeigt deutlich, dass ein sehr grosses Interesse an einer technischen Unterstützung beim Einkaufen im Supermarkt besteht. Derzeit vermeiden es die meisten Betroffenen, selbst einzukaufen. Häufig wird eine dritte Person damit beauftragt. Der Einsatz des VIRAS Einkaufswagens stösst bei 87% der Befragten auf Anklang. Durch eine mögliche Bereitstellung des Einkaufswagens würden fast 90% der sehbehinderten und blinden Personen ihre Einkäufe damit selbständig tätigen.

4% der Schweizer Bevölkerung - Tendenz steigend - sind von einer Sehbehinderung betroffen. Angesichts dessen kann das Projekt nicht nur zur Inklusion beitragen, sondern auch zu einer wesentlichen Verbesserung der Lebensqualität der Betroffenen führen. Der Schweizerische Zentralverein für das Blindenwesen, der Schweizerische Blindenbund, die Schweizerische Caritasaktion der Blinden und der Schweizerische Blinden- und Sehbehindertenverband fördern die Entwicklung und Realisierung des Projekts VIRAS durch finanzielle und ideelle Unterstützung. Das VIRAS-Team steht in engem Austausch mit den Verbänden. Durch das Miteinbeziehen der betroffenen Personengruppe ist die Entwicklung realitätsnah auf die Bedürfnisse der Zielgruppe abgestimmt.


Produkterkennung im Regal

Die Anforderungen an einen Einkaufswagen für blinde und sehbehinderte Personen definieren sich aus den Herausforderungen, mit denen die Betroffenen konfrontiert sind. Die wichtigste und zugleich anspruchsvollste Hürde beim Einkaufen ohne fremde Hilfe ist das Auffinden der Produkte im Regal. Insbesondere bei Änderungen des Sortiments und der Produktplatzierung haben die Betroffenen erhebliche Schwierigkeiten, das gewünschte Produkt zu finden. Zusätzlich erschwert die ungleichmässige Beleuchtung in Supermärkten die Orientierung.

Das Wiegen von Gemüse oder Obst ist nahezu unmöglich, da die Waagen ohne ausreichendes Sehvermögen nicht bedient werden können. Eine weitere Schwierigkeit stellt das Auffinden der Kasse dar.


Einkaufen mit VIRAS

VIRAS ermöglicht ein barrierefreies Einkaufen. Der selbstfahrende Einkaufswagen ist mit drei Stereokameras sowie integrierten Spracherkennungs- und Sprachausgabefunktionen ausgestattet. So kann der Nutzer, die Nutzerin ohne Hilfe von anderen zu den gewünschten Produkten geführt werden. Unterwegs erkennt das System Hindernisse oder andere Kundinnen und Kunden und weicht aus.

Die Stereokameras am Wagen dienen dabei nicht nur der dreidimensionalen Kartierung des Supermarkts, sie identifiziert auch die Produkte sowie die Hand des Benutzers, der Benutzerin und leitet durch akustische Anweisungen zum gewünschten Produkt. Für die Erkennung des gesuchten Produkts wird künstliche Intelligenz eingesetzt. Durch diesen innovativen Ansatz ist es nicht notwendig, den Barcode des Produkts zu scannen. Die Produkte werden unabhängig von ihrer Ausrichtung im Regal zuverlässig detektiert. Sollte ein Regal leer sein, wird die Kundin, der Kunde informiert. 


So könnte der Einkaufsprozess für blinde und sehbehinderte Personen mit VIRAS aussehen:

1. Lokalisierung des Einkaufswagens im Supermarkt durch akustische Signale
2. Eingabe der Einkaufsliste über die VIRAS-App
3. Navigation zu den Produkten und Ausweichen von Hindernissen oder Personen
4. Anhalten des Wagens beim Erreichen des Produkts
5. Produkterkennung mittels AI-Objekterkennung
6. Akustische Benennung der Position des Produkts im Regal
7. Handerkennung des Benutzers
8. Akustische Hinweise zur Position der Benutzerhand relativ zum Produkt
9. Akustische Bestätigung des Produktnamens, wenn der Benutzer das richtige Produkt ausgewählt hat
10. Navigation zum nächsten Produkt oder zur Kasse


Weiterentwicklung auch für ältere Menschen

Ein Prototyp des VIRAS-Einkaufswagens wird zurzeit in der Migros Filiale Hinwil getestet. In der Weiterentwicklung sollen Funktionen zur Warenbestandskontrolle implementiert werden. Dazu zählt die Möglichkeit, die Produktverfügbarkeit in Echtzeit abzurufen. Auch Werbeaktionen könnten über den Einkaufswagen kommuniziert werden.

Darüber hinaus soll der Benutzerkreis von VIRAS erweitert werden. Auch ältere Menschen könnten von einem autonomen Einkaufswagen profitieren. Zum Beispiel, wenn sie grössere funktionale Einschränkungen wie eine geminderte Mobilität haben. 

Um den Einkaufswagen auch für ausgewählte Gruppen älterer Menschen nutzbar zu machen und ihre Autonomie beim Einkaufen zu fördern, was die Lebensqualität erhöht, führt das Institut für Altersforschung der OST eine Bedarfsanalyse durch. Mit einer schriftlichen Befragung, leitfadengestützten Interviews und Fokusgruppen sollen Barrieren beim Einkaufen identifiziert werden. Gemeinsam mit älteren Menschen und dem Institut für Laborautomation und Mechatronik werden Ideen entwickelt, ob und wie die Funktionen und die Gestaltung von VIRAS den Bedürfnissen bestimmter Gruppen älterer Menschen entsprechen. Zudem wird das Erweiterungspotenzial des Prototyps geprüft.

Ausgezeichnete Arbeit 

Die Stiftung Dalle Molle zeichnet herausragende Forschungs- und Innovationsprojekte aus. Mit dem Label «Quality of Life» würdigt sie Qualitätsforschung, die digitale Wissenschaft und Technologie in den Dienst der Menschheit stellt. VIRAS gewann den Preis für Lebensqualität am 15. Oktober 2025. Das Projekt findet damit auch Anerkennung bei einer Stiftung, die seit Jahrzehnten Pionierarbeit im Bereich technologiegestützter Lebensqualität leistet. 
Stiftung Dalle Molle

 

>> Mehr zum Projekt VIRAS

Der autonome Einkaufswagen VIRAS wird in enger Zusammenarbeit mit blinden und sehbehinderten Menschen entwickelt.
Sehbeeinträchtigte Menschen sind beim Einkaufen im Supermarkt mit vielen Schwierigkeiten konfrontiert.
Verschiedene Technologien machen VIRAS zu einem sicheren und zuverlässigen Assistenzsystem.
Am Einkaufswagen sind mehrere Kameras angebracht, die zur Orientierung dienen und die Produkte in den Regalen erkennen.

Kooperation: