Publikation
Netzwoche - IT for Gov
Conversational Government - Sprechen ist das neue Schreiben
Durch die breite Verfügbarkeit von Sprachassistenten könnten in Zukunft sprachbasierte Verwaltungsdienste eine Ergänzung zu webbasiertem E-Government darstellen. Wissenschafter der FHS St. Gallen untersuchen aktuell deren Potenzial und Anforderungen.
Sei es auf Smartphones oder über sogenannte smarte Lautsprecher: digitale Sprachassistenten wie Alexa, Siri oder Google Assistant und entsprechende konversationsbasierte Dienste finden zunehmend Verbreitung. Analog zum "Conversational Commerce", also Onlineshopping mittels Sprache, scheint auch das "Conversational Government", sprachbasierte elektronische Verwaltungsdienste, ein vielversprechendes Einsatzgebiet. Entsprechende Erwartungen sind etwa eine bewusste Reduktion der Komplexität der angebotenen Dienste sowie die verbesserte Zugänglichkeit für sämtliche Einwohner.
Im Rahmen des Forschungsprojekts "conego" unterstützt durch E-Government Schweiz, wurden in einem ersten Schritt Experteninterviews durchgeführt, um mehr über Anforderungen, Herausforderungen und Möglichkeiten von sprachbasierten Verwaltungsdiensten zu erfahren. Dazu wurden fünf Interviews mit E-Government-Spezialisten (Stadt, Kanton, Bund) sowie Fachleuten mit Erfahrung in der Umsetzung von sprachbasierten Diensten geführt.
Anforderungen aus Expertensicht
Diverse E-Government-Dienste erfordern eine Authentifizierung des Nutzers, also einen überprüfbaren Nachweis, dass es sich wirklich um die entsprechende Person handelt, etwa bei der Bestellung eines Betreibungsregisterauszugs. Um solche Dienste über eine Sprachschnittstelle anbieten zu können, bietet sich ein Zwei-Faktor-Ansatz unter Verwendung einer dazugehörigen Mobile-App an: Der Nutzer muss seine Anmeldung via Sprachassistent auf dem persönlichen Smartphone bestätigen.
Um möglichst viele Landesbewohner zu erreichen, sollte ein entsprechender Dienst in verfügbare Sprachassistenten eingebettet werden. Alexa und Co. werten die Äusserungen eines Users jedoch nicht direkt auf dem Gerät aus, sondern übertragen die aufgenommenen Sprachdaten an globale Rechenzentren zur dortigen Analyse. Für Verwaltungsdienste, die private oder hoheitliche Daten verarbeiten, muss dies zwingend berücksichtigt werden. Unklar ist laut den befragten E-Government-Experten jedoch, als wie "sensibel" die Nutzer selbst die involvierten persönlichen Daten einschätzen.
Ein weiterer zentraler Punkt ist die Robustheit der Spracherkennung. Diese wird einerseits durch spezielle schweizerische Verwaltungsausdrücke ("Betreibungsregister" etc.) auf die Probe gestellt, andererseits durch die Verwendung von Mundart. Bezüglich deren Bedeutung für sprachbasierte Verwaltungsdienste sind sich die involvierten Experten uneinig: Eine Gruppe sieht keine Relevanz, da die Bevölkerung Standardsprache für Bank- und Verwaltungsdienste gewohnt sei, die andere schätzt die Unterstützung von Mundart als zentral für die finale Akzeptanz ein.
Bezüglich der technischen Umsetzung von sprachbasierten Verwaltungsdiensten sehen die E-Government-Experten die Verwaltung selbst nicht in der führenden Rolle. Vielmehr soll diese vermehrt Daten der Öffentlichkeit zur Verfügung stellen ("Open Government Data"), um in einem Open-Innovation-Ansatz die Erstellung von Sprachdiensten durch interessierte Nutzer selbst zu ermöglichen.
Implikationen und nächste Schritte
Denkbar sind eine Vielzahl sprachbasierter Verwaltungsdienste von einfacher Informationsabfrage bis hin zu komplexen Dialogen. Bei der Auswahl erster Anwendungsfälle für "Conversational Government" muss die Benutzerfreundlichkeit an erster Stelle stehen und somit die Vorteile und Einschränkungen von "Voice Interfaces" berücksichtigt werden: Sie zeigen ihre Stärke speziell bei wiederholten Aufgaben, die oftmals neben einer Haupttätigkeit ausgeführt werden, wie etwa die Steuerung des Navigationssystems während des Autofahrens oder ein Produkt während des Kochens auf die Einkaufsliste zu setzen.
Für zukünftige sprachbasierte Verwaltungsdienste, die über die reine Informationsabfrage hinausgehen, scheinen auch "Open Government APIs" relevant – Schnittstellen, über die elektronische Verwaltungsprozesse von externen Anwendungen angestossen werden können. Bei deren Umsetzung stellen sich sowohl Fragen der IT-Sicherheit als auch der Verwaltungsorganisation: oftmals werden dafür ein Umdenken und eine Anpassung von Verwaltungsprozessen erforderlich sein.