Mehr Zeit für Kreativität und Innovation

Medienmitteilung vom 4. Mai 2023

Innovation will gezielt Neues schaffen. Doch so einfach geht das nicht. Zu viele Störfaktoren stehen dem Innovationsprozess im Weg. Weshalb nicht neue Wege beschreiten – beispielsweise mit gezielten Auszeiten? Die 16. Ostschweizer Innovationstagung der OST – Ostschweizer Fachhochschule ging der Frage nach, wie man Abstand nehmen kann, um klarer zu fokussieren.

Im Berufsalltag sind wir öfter abgelenkt, als wir denken. Das kostet Arbeitszeit. Bis zu einer Stunde gehen pro Tag und Arbeitskraft verloren. Das zeigen mehrere wissenschaftliche Studien. Mehr als die Hälfte aller Arbeitnehmenden geben an, dass sie von privaten Gesprächen mit Kolleginnen und Kollegen im Arbeitsfluss gehemmt werden, und 40 Prozent stören sich an der Geräuschkulisse im Büro so stark, dass sie den Faden verlieren. Von den digitalen Kommunikationstools schon gar nicht zu reden – das Smartphone und die Kommunikationsplattform «Teams» sorgen dafür, dass wir im Durchschnitt nach 40 Sekunden die Arbeit kurz unterbrechen. Mit Folgen. «Bei grossen Ablenkungen dauert es 25 Minuten, bis wir geistig wieder voll anknüpfen können, wo wir unterbrochen wurden», sagt Thomas Utz, Co-Leiter des Instituts für Innovation, Design und Engineering (IDEE) an der OST – Ostschweizer Fachhochschule. So zeige beispielsweise eine Studie der Universität Texas, dass das Smartphone die kognitive Leistungsfähigkeit der Arbeitnehmenden deutlich einschränke. Was also tun? «Wir müssen die Perspektive ändern, das Thema Arbeit aus einer anderen, neuen Optik betrachten», plädiert Lukas Schmid, der zweite Co-Leiter des Instituts IDEE einleitend an der 16. Ostschweizer Innovationstagung im bis auf den letzten Platz gefüllten (ehemaligen) Kino Palace in St.Gallen.

IDEE sucht nach Lösungen

Eine Lösung für die tägliche Arbeit zu finden ist gar nicht so einfach. Das zeigen die Erfahrungen der Mitarbeitenden des OST-Instituts für Innovation, Design und Engineering. In den letzten Monaten haben sie verschiedene Methoden selbst ausgetestet. Die «Pomodoro-Technik» beispielsweise, bei der jede intensive Arbeitsphase nach 25 Minuten mit einer kurzen Pause unterbrochen wird. Oder das «Eisenhower-Prinzip», das die Arbeit nach Wichtigkeit und Dringlichkeit priorisiert. Neben diesen Methoden brauche es für Innovation und Kreativität aber noch einen grösseren Fokus, so die Erfahrungen der OST-Forschenden.

8 Wochen Ferien zu gleichem Lohn

Eine Lösung könnte die «Reifezeit» sein. Der Begriff stammt von der St.Galler Kreativagentur Vitamin 2. Seit diesem Jahr bietet das Unternehmen seinen Mitarbeitenden acht Wochen Ferien an, vier davon müssen am Stück bezogen werden. «Vier Wochen für Körper und Geist, um der Hektik entgegenzuwirken, um die Innovationsfähigkeit zu steigern», bringt es Samy Güttinger, Geschäftsleitungsmitglied von Vitamin 2, auf den Punkt. Ziel sei die «Maximierung der Lebensqualität» und nicht die Gewinnmaximierung: «Mit mehr Ferien sind die Mitarbeitenden erholter. Sie sind weniger krank, sie sind leistungsfähiger, kreativer». Vitamin 2 wird mit dieser Reifezeit in den nächsten zwei Jahren Erfahrungen sammeln und dann entscheiden, ob das neue Arbeits-Ferien-Modell auch künftig eingesetzt werden soll.

«Experimentation Week» als Innovationsraum

«Wenn du kreative Mitarbeitenden willst, dann gib ihnen Zeit, kreativ zu sein», findet auch Daniel Demel, Head of Productdesign beim St.Galler Informatikunternehmen Frontify. Das Unternehmen, dass sich von der «Software-as-a-Service»-Company zur marktführenden Brand Management-Plattform entwickelt hat, bietet den Mitarbeitenden Innovationsräume an, um kreativ zu sein. Ein Beispiel dafür ist die «Experimentation Week», in der neu zusammengesetzte Teams Aufgaben lösen, die sie sich selbst geben – also keine Fragestellungen, die von Kunden kommen. «So entsteht eine ganz neue Innovationskultur», so Demel, ein neues «Frame for Innovation».

Community einbeziehen

Innovative Lösungen sucht auch die Rheintaler Dokumentarfilmerin Arzije Asani. Während man früher Filmprojekte auf dem Reissbrett zeichnete, lässt Asani ihre Community am Projekt teilhaben. Ein Beispiel dafür sei die dokumentarische Webserie Çohu über Gender-Aktivismus im Kosovo. «Wir haben die Protagonistinnen und Protagonisten via Instagram gesucht. Instagram ist unsere journalistische Quelle», sagt die Journalistin. Und anknüpfend an die Referate von Güttinger und Demel betont auch Asani, dass Dokumentarfilme zwar zeitaufwändig in der Produktion seien, das Management aber möglichst schlank gestaltet sein müsse: «Mit Instagram kommt man schneller vorwärts, als wenn ich für die Recherchen jedes Mal in den Kosovo reisen müsste. Das spart Zeit.»

Für Rückfragen: