Evolution in der Software-Entwicklung

23.11.2022

Über 100 Teilnehmende besuchten die Herbsttagung des LowCodeLab der OST. Unter dem Motto «Beyond the Hype: Low Code in der Praxis» diskutierten Forscher und Praxisvertreter über die Chancen und Risiken dieses neuen Programmierparadigmas.

Die Softwareentwicklung mit Low Code-Plattformen lässt sich mit Lego vergleichen: Aus verschiedenen vorgefertigten Bausteinen können sehr unterschiedliche Objekte zusammengebaut werden. «Low Code ist eine weitere Abstraktionsstufe in der Softwareentwicklung, es hat sich evolutionär entwickelt», sagt Rainer Endl, Professor für Wirtschaftsinformatik an der OST – Ostschweizer Fachhochschule und Co-Leiter des LowCodeLab@OST. «Die ersten Programmiersprachen bestanden aus binären Codes und waren hardwarespezifisch. Dann kamen die höheren, an die menschlichen Sprachen angelehnten Programmiersprachen, später die objektbasierten Sprachen und jetzt eben Low Code-Plattformen, die vorgefertigte Softwarebausteine und visuelle Designtechniken zum effizienten Zusammenbauen dieser Bausteine zu einer Applikation ermöglichen (…)». Mittlerweile gibt es rund 300 Low Code-Plattformen auf dem Markt; erst kürzlich hat der Softwarekonzern SAP eine weitere Low Code-Plattform lanciert.

Mit «Citizen Development» den IT-Fachkräftemangel abfedern

«Low Code-Plattformen werden als Enabler für eine beschleunigte Softwareentwicklung propagiert», sagt Endl. «Eng mit Low Code verbunden ist die Idee des ‹Citizen Developments›. Wird Software nicht mehr programmiert, sondern mithilfe fertiger Bausteine konfiguriert, kann dies auch von ‹Nichtprogrammer/innen› wie etwa Mitarbeitenden aus den Fachabteilungen ausgeführt werden. So können Entwicklungskapazitäten erhöht und die Folgen des IT-Fachkräftemangel abgefedert werden.»

Anwendungsbeispiele von Zühlke Engineering und SBB

An der Herbsttagung «IT-Puls» des LowCodeLabs, die in Zusammenarbeit mit dem Institut für Informations- und Prozessmanagement (IPM) an der OST und der Zürcher Unternehmensberatung Zühlke durchgeführt wurde, stellten Praxisvertreter vor mehr als 100 Teilnehmenden Anwendungsbeispiele für dieses bausteinbasierte Programmierparadigma vor.

Silvan Stich von Zühlke Engineering veranschaulichte am Beispiel des Versicherungskonzerns Swica, wie der einst auf Excel-Tabellen basierte Offertprozess mit Low Code vollständig digitalisiert wurde. Auch die SBB setzen auf Low Code-Applikationen, die von informatikaffinen Mitarbeitenden, den Citizen Developern, entwickelt wurden. Informatik-Professor Christian Thiel vom Institut für Informations- und Prozessmanagement der OST gab zu bedenken, dass es effizient sei, wenn informatikaffine Mitarbeitende Software programmierten, man müsse aber immer auch das Sicherheitsrisiko im Auge behalten.

LowCodeLab@OST bietet Hilfe zur Selbsthilfe

«Auf Hochschulebene gibt es bisher nur sehr wenige plattformunabhängige Initiativen rund um das Thema Low Code und Citizen Development. Das LowCodeLab@OST bietet daher sowohl OST-intern als auch interessierten Unternehmen neutral und unabhängig Hilfe zur Selbsthilfe», sagt Christoph Baumgarten, Dozent für Wirtschaftsinformatik und Co-Leiter des LowCodeLab@OST, im letzten Vortrag der Veranstaltung.

Digitale Transformation beschleunigen aber kein Allheilmittel

Das Fazit der Veranstaltung ziehen Christoph Baumgarten und Rainer Endl wie folgt: «Richtig eingesetzt können Low Code-Plattformen und Citizen Development die digitale Transformation im und von Unternehmen deutlich beschleunigen. Aber sie sind kein Allheilmittel. So sind sie nicht für alle Anwendungsfälle gleichermassen gut geeignet. Ein Unternehmen muss sich daher zunächst im Klaren darüber sein, für welche Anwendungszwecke sie Low Code verwenden möchten. Zudem stellen sich organisatorische Herausforderungen: So müssen Citizen-Developer/innen befähigt werden, d.h. sie sollten nicht nur eine grundlegende Ausbildung durchlaufen, sondern auch die Grenzen von Low Code kennen sowie bei Bedarf auf effektive Unterstützung durch erfahrene Entwickler/innen zurückgreifen können.»

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