«Diese Erfahrung hat mir gezeigt, dass mir die Arbeit mit Jugendlichen liegt»

Eine Woche lang in eine fremde Arbeitswelt eintauchen – diese Möglichkeit hatte Janine Hasler, Pflege-Studentin an der OST– Ostschweizer Fachhochschule. Im Rahmen des Moduls «Blickwechsel» der Career Services OST arbeitete sie in der Sonderschule Bad Sonder. Im Interview erzählt Janine zusammen mit dem Leiter des Bad Sonder, Thomas Schwemer, was sie in ihrer Blickwechsel-Woche erlebt hat.

Janine, was hast du während der Woche im Bad Sonder gemacht?

Janine Hasler: Während des Blickwechsels war ich drei Tage in einer Wohngruppe der Jugendlichen. Dort habe ich in den Alltag der Jugendlichen gesehen, mit ihnen gekocht, gegessen, Hausaufgaben gemacht, Spiele gespielt und Ämtli erledigt. Die anderen zwei Tage war ich in der Schule im Unterricht dabei. Ich habe den Schülerinnen und Schülern zum Beispiel geholfen, Mathematikaufgaben zu lösen oder war Teil des Sportunterrichts. In der Schule hatte ich zudem die Gelegenheit, meinen eigenen Beruf vorzustellen. Dem Niveau der Schülerinnen und Schüler entsprechend habe ich die Lehren Fachfrau / Fachmann Gesundheit (FaGe) und Assistent/in Gesundheit und Soziales (EBA) mit einem Film und einem Kreuzworträtsel vorgestellt. Die Jugendlichen haben sehr gut mitgemacht, waren interessiert und haben Fragen gestellt.

Du hast also in verschiedene Bereiche des Alltags der Jugendlichen hineingesehen. Wie war das für dich?

Janine Hasler: Ich war positiv überrascht von der ganzen Erfahrung. Nach zwei Tagen hatte ich bereits das Gefühl, im Bad Sonder integriert und aufgenommen zu sein. Die Jugendlichen konnten sich mir sogar zu einem gewissen Grad öffnen. Mir war es wichtig, ich selbst zu sein und authentisch mit den Jugendlichen umzugehen. Ich denke, dass dies bei den Jugendlichen gut ankam. Mir wurde durch die Zusammenarbeit mit den Jugendlichen bewusst, dass Sozialpädagogik mehr ist als nur «gspürsch-mi-fühlsch-mi»-Arbeit. Es steckt viel mehr hinter diesem Beruf. Jugendliche sind eine anspruchsvolle Altersgruppe und mit Beziehungsarbeit kann man viel erreichen.

«Ich habe mir zwar gedacht, dass ich mit den Jugendlichen schnell Anknüpfungspunkte finden könnte, aber ich konnte mir nicht vorstellen, wie das genau aussehen würde. Diese Erfahrung hat mir gezeigt, dass mir die Arbeit mit Jugendlichen liegt und ich habe viele positive Rückmeldungen erhalten.»

Janine Hasler, Studentin Pflege an der OST

Janine Hasler…

…ist 24 Jahre alt und studiert im 8. Semester den berufsbegleitenden Bachelorstudiengang Pflege an der OST.

Nebst zwei Studientagen in der Woche arbeitet sie 50 Prozent in der Pflege in einem Spital.

Thomas, wie hast du die Woche mit Janine im Bad Sonder erlebt?

Thomas Schwemer: Bereits am ersten Tag wurde ich angesprochen, dass wir doch schauen sollen, dass wir Janine einstellen können. Das habe ich noch nie erlebt beim Blickwechsel.
Mir ist beim Blickwechsel immer wichtig, dass die Studentin oder der Student nicht einfach sein Ding durchziehen will, sondern dass auch unsere Jugendlichen davon profitieren können. Mit Janine konnten sie das definitiv. Die Berufswahl ist zum Beispiel ein grosses Thema, weil es vor allem Oberstufenschülerinnen und -schüler sind. Es war deshalb sehr passend, dass Janine ihren Beruf vorgestellt hat. Das hat eine andere Wirkung auf die Schülerinnen und Schüler, als wenn sie einfach ein Video dazu schauen oder im Internet recherchieren.

Janine, was hat dir der Einblick in eine fremde Berufswelt gebracht?

Janine Hasler: Am Ende der Woche wurde mir bewusst, dass ich mir gut vorstellen könnte, irgendwann mit Jugendlichen zu arbeiten. In meinem Privatleben habe ich nicht viel mit Jugendlichen zu tun. Ich habe mir zwar gedacht, dass ich mit ihnen schnell Anknüpfungspunkte finden könnte, aber ich konnte mir nicht vorstellen, wie das genau aussehen würde. Diese Erfahrung hat mir gezeigt, dass mir die Arbeit mit Jugendlichen liegt und ich habe viele positive Rückmeldungen erhalten. Ich hatte zum Beispiel das Gefühl, dass ich eine Beziehung mit einem Jugendlichen aufbauen konnte, der es nicht so einfach hat. Das war eine sehr bereichernde Erfahrung.

Nimmst du auch etwas für deinen Beruf in der Pflege mit?

Janine Hasler: Für meinen Beruf kann ich definitiv auch etwas mitnehmen. In der Pflege hat man zum Beispiel mit Angehörigen von Patientinnen und Patienten zu tun. Das sind zum Teil auch Kinder und Jugendliche. Ich habe das Gefühl, dass ich mich jetzt besser in diese Altersgruppe hineinversetzten kann. Ich habe im Bad Sonder Geschichten gehört, bei denen ich gedacht habe, dass sie mir auch im Spital begegnen könnten.

«Der Blickwechsel ist für alle eine Win-win-Situation. Für die Studierenden, da sie einen Einblick in eine andere Berufswelt bekommen und für unsere Jugendlichen, die neue Eindrücke erhalten.»

Thomas Schwemer, Alumnus der OST und Leiter des Bad Sonder

Thomas Schwemer...

...ist 54 Jahre alt und arbeitet seit 27 Jahren im Bad Sonder. Er hat dort ein Praktikum absolviert und ist nun bereits seit 13 Jahren als Leiter tätig. An der OST (damals FHS) hat er Sozialpädagogik studiert.
 

Das Bad Sonder…

…ist ein Sonderschulheim in Teufen, Appenzell Ausserrhoden. Jugendliche mit Lern- und Verhaltensauffälligkeiten gehen im Bad Sonder zur Schule. Die meisten von ihnen wohnen während der Woche im Internat des Bad Sonder.

Thomas, welchen Nutzen siehst du im Blickwechsel?

Thomas Schwemer: Der Blickwechsel ist für alle eine Win-win-Situation. Für die Studierenden, da sie einen Einblick in eine andere Berufswelt bekommen und für unsere Jugendlichen, die neue Eindrücke erhalten. Für uns als Team ist der Blickwechsel spannend, weil eine Aussensicht im Arbeitsalltag sehr wertvoll ist. Die Studierenden stellen Fragen, geben neue Eindrücke und hinterfragen auch gewisse Arbeitsprozesse. Das kann zu Optimierungen und Verbesserungen in unserer Arbeit führen.

Würdet ihr den Blickwechsel auch anderen Studierenden und Organisationen oder Unternehmen empfehlen?

Janine Hasler: Auf jeden Fall! Ich würde ihn allen Studierenden empfehlen, weil man sonst nie diese Möglichkeit hat, intensiv in einen fachfremden Beruf zu schauen. Man gewinnt sehr viele neue Eindrücke und lernt Sachen, mit denen man sonst nie in Berührung gekommen wäre. Ausserdem hat mich das Team der Career Services bei der Organisation des Blickwechsels zuverlässig und flexibel unterstützt. In der Pflege herrscht Schichtbetrieb und deshalb war ich froh, dass ich die Informationen zum Blickwechsel sehr früh bekommen habe. Dadurch konnte ich das bei der Arbeit rechtzeitig mitteilen und alles organisieren.

Thomas Schwemer: Ich empfehle den Blickwechsel allen Unternehmen und Organisationen. Der Aufwand ist klein und es sind immer Studierende, die bereit sind, dass man sie gleich einspannt. Sie machen das freiwillig und haben dadurch eine grosse Motivation, sofort mitzumachen, mitzudenken und mitzuarbeiten. Das ist bei allen Mitarbeitenden im Bad Sonder immer sehr gut angekommen. Es kommen immer nur positive Rückmeldungen. Schlechte Erfahrungen haben wir mit dem Blickwechsel nie gemacht. Mit der Organisation hat auch immer alles perfekt funktioniert. Die Career Services sind für uns in der Praxis ein sehr wichtiger Ansprechpartner und wir sind froh um ihre Angebote.